Große Glas-Sammlung: Vom Glanz der Jahrhunderte
„Glück und Glas, wie schimmern sie nicht, die zerbrechlichen, beide“, schrieb der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Ludewig Bouterweck (1766 – 1828). Wie eng Glas – stets angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Kunst und Nützlichkeit – auch den politischen und gesellschaftlichen Wandel der Jahrhunderte spiegelt, zeigt eine aus Süddeutschland stammende Glassammlung mit über 250 Objekten, die in der Auktion am 22. September versteigert wird. Diese spannen den Bogen von der Antike bis zur Glaskunst der 1980er Jahre.
Murano und die Folgen
Einer der Höhepunkte dieser Sammlung ist ein dünnwandiges, um 1600 entstandenes Weinglas (Kat.-Nr. 145), das entweder auf Murano entstand oder in der Werkstatt eines von dort geflüchteten Glasmachers.
Weinglas, Venedig oder Façon de Venise, um 1600, Schätzpreis: 800 Euro.
Bereits 1271 hatte Venedig sämtliche Glashütten auf die nahegelegene Insel verbannt, nicht nur wegen der Brandgefahr, sondern auch, um zu verhindern, dass die Geheimnisse dieses luxuriösen Exportguts nach draußen getragen wurden. Eines davon lag in der Beimischung von Soda: es hält die Glasmasse relativ lange formbar und ermöglicht so die Herstellung von jenem hauchdünnen Glas, für das Murano berühmt war.
Almorratxa (Rosenwasser-Sprenggefäß), Venedig oder Katalonien, 16./17. Jahrhundert, Schätzpreis 600 Euro
Venedig selbst bezog Soda vor allem aus Spanien, wo es ebenso eine blühende Glaskultur gab (vgl. Kat.-Nr. 153, 154), wie auch in einigen großen Handelszentren nördlich der Alpen, in denen sich venezianische Glasmacher niederließen. Denn nur die Reichweite eines Seehafens, beispielsweise in den Niederlanden, konnte die Nachlieferung von Soda dauerhaft sichern (vgl. u.a. Kat-Nr. 148).
Doppelhenkelvase, Kastilien, 18. Jh. (wohl Recuenco), Schätzpreis 600 Euro
2 Kelchgläser, Venedig 16./17. Jahrhundert bzw. Façon de Venise (wohl Niederlande), 17. Jh , Schätzpreis 600 Euro
Glaskultur nördlich der Alpen
Doch auch in den waldreichen Regionen nördlich der Alpen hatte sich eine blühende Glaskultur herausgebildet, nicht jedoch wie im Mittelmeerraum eng verknüpft mit den Städten, sondern auf Waldlichtungen, in deren Umgebung sämtliche Rohstoffe, vom Sand bis zum Brennholz für die Öfen, unmittelbar vor Ort waren.
Als sich im 18. Jahrhundert mit dem Niedergang der Serenissima auch jener der Glasproduktion auf Murano abzeichnete, hatte sich in Böhmen, Schlesien und Mitteldeutschland längst eine andere Form der Glaskunst etabliert: der Glasschnitt. Er hatte sich aus der Steinschneidekunst der Spätrenaissance entwickelt, die Kaiser Rudolf II. in Prag stark forciert hatte. Binnen eines Jahrhunderts war die Kunst, filigrane Muster in Glasoberflächen zu ritzen, zum stilprägenden Element der an den Höfen benutzten Gläser geworden (siehe u.a. Kat.-Nr. 169 ff., 208 ff.).
Pokal, Schlesien / Warmbrunn, um 1750, Christian Gottfried Schneider (zugeschrieben), Schätzpreis 800 Euro
Deckelpokal, Potsdam/Berlin, 1. Viertel 18. Jhd., mit Wappen des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation, Schätzpreis 1.000 Euro
Glas wird Bürgerlich
Mit der französischen Revolution und dem gesellschaftlichen Umbruch in ganz Europa wandelte sich auch der Glas-Geschmack: Prunkvolle, geschnittene Pokale galten als überlebt, die schlichte, bürgerlich orientierte Stilwelt des Biedermeier hielt Einzug.
Fußbecher des Biedermeier mit verschiedenen Dekoren
Die alten Glaszentren, vor allem Böhmen, erlebten einen Einbruch, konnten sich aber bereits in den 1820er Jahren wieder gut am Markt positionieren: Zum einen mit farbigem Glas, wie es die Romantiker favorisierten (Vgl. Kat-Nr. 285ff.), zum anderen mit der Erfindung des opaken Steinglases durch Georg Graf von Buquoy, zunächst in Schwarz und Siegellack-Rot (vgl. Kat-Nr. 245 ff.), später auch in blassen, matten Farbtönen (vgl. Kat-Nr. 255 ff.).
Steinglas in Schwarz, aus der Glashütte des Grafen von Buquoy
Steinglas in Pastell-Farbtönen
Der Jugendstil brachte auch in der Glaskunst eine weitere stilistische Wende hervor, mit einer Vielzahl an neuen Formen und Dekorelementen. Eines davon: irisierende Oberflächen, die durch das Bedampfen der Glasmasse mit Metalloxiden erzeugt wurden (vgl. z.B. den irisierenden Tiffany-Flakon, Kat-Nr. 318).
Irisierendes Glas des Jugendstil
Inspiriert worden war dieser Dekorstil u.a. durch Funde antiker römischer Gläser. Aufgrund von Verwitterungsprozessen schienen sie an der Oberfläche von einem weißen, schimmernden Schleier überzogen – ein Effekt, an dem sich die Kreativität der Glaskünstler entzündete. Dieses Moment ist ein Paradebeispiel für die Entwicklung der Glaskunst, die sich aus sich selbst heraus immer wieder neu erfindet.
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