Im Blickpunkt am 1. Juli (II): Eine Zeichnung des Trajansforums um 1575
Die vorliegende, auf 1.600 Euro geschätzte Federzeichnung „Das Trajansforum in Rom mit der Trajanssäule“ spiegelt einen spannenden Abschnitt römischer Stadtgeschichte. Denn sie entführt ins späte 16. Jahrhundert – eine Zeit, in der das Zentrum der Antiken Welt und der katholischen Christenheit nach seinem Niedergang während des Schisma zwar langsam wieder mehr Bedeutung erlangte, in seinem kulturellen und politischen Einfluss aber noch immer hinter Zentren wie Florenz oder Mailand zurückstand.
Am Trajansforum: Eine Spurensuche
Aufgrund der baulichen Situation auf und rund um das Trajansforum, das letzte und prächtigste der als Erweiterung des Forum Romanum ab 54 v. Chr. angelegten Kaiserforen, kann die vorliegende Darstellung zeitlich präzise eingeordnet werden: Zum einen trägt die monumentale, 112/113 n. Chr. zu Ehren der militärischen Erfolge Kaiser Trajans errichtete Säule noch nicht die 1587 auf ihr platzierte Säule des Petrus. Zum anderen bietet auch der im Hintergrund gezeigte Kirchenbau klare Anhaltspunkte: Es handelt sich um Santa Maria di Loreto, erbaut ab 1522 nach Entwürfen von Antonio da Sangallo d.J. Auf der Zeichnung gezeigt ist die zwischen 1565 bis 1573 entstandene Kuppel, die hier aber noch keine Laterne trägt.
Mit großer Wahrscheinlichkeit benutzte der französische Radierer Etienne du Pérac (1520 – 1604) die vorliegende Zeichnung als Grundlage für den 1575 in seinem Sammelwerk „I vestigi dell‘antichità di Roma“ erschienenen Stich.
Zerfall und Neubeginn
Aus diesem, vor allem aber aus der vorliegenden Zeichnung lässt sich eine Haltung ablesen, die die Kunsthistorikerin Marlise Hoff als typisch für den Blick französischer und flämischer Künstler auf die städtebauliche Situation Roms und sein zerfallendes antikes Erbe identifiziert. „Befreit von seinem funktionalen Wert als Baumaterial oder Studienobjekt wurde das antike Fragment bewusst und betont als Ruine (…) dargestellt“, schreibt sie, „und auch mit entsprechendem symbolischem Gehalt aufgeladen.“ Im Vergleich zu vielen anderen Monumenten ist die Trajanssäule im ausgehenden 16. Jahrhundert immer noch gut erhalten. Doch auch hier zeigt der Urheber der Zeichnung den „Zahn der Zeit“: Nur ein Teil des Säulensockels wurde freigelegt, der Rest ist noch von den Sedimenten vieler Jahrhunderte bedeckt. Nahezu wuchtig wirkt demgegenüber der Neubau der Kirche, fast so, als wolle die neue Baukunst und damit das neu entstehende, manieristisch-barocke Rom das fragile Erbe der Antike mit Gewalt übertrumpfen.
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