Im Blickpunkt am 2. Dezember (III): Münchner Jugendstil
Die Kategorien Silber und Schmuck sind, auch im Hinblick auf das herannahende Weihnachtsfest, mit jeweils über 80 Positionen überaus reichhaltig bestückt. Einige Positionen hier, aber auch aus anderen Bereichen, haben darüber hinaus auch einen unmittelbaren Bezug zur Jugendstil- und Art Déco-Zeit in München.
Jugendstilschmuck von Karl Rothmüller
Beim Schmuck stammen diverse um 1920 gefertigte Broschen und ein Collier mit Barockperlen, Peridots, Rubinen und Diamantrosen aus der Werkstatt des eleganten, noch heute bestehenden Juwelierhauses Karl Rothmüller. Die Broschen werden auf 300 bis 400 Euro, das Collier auf 2.000 Euro taxiert.
Ein Besteck von Richard Riemerschmid
Das 78teilige, zeitlose Besteck „CWM“ des ebenfalls bis heute agierenden Münchner Silberspezialisten Weishaupt (Schätzpreis 1.400 Euro) geht auf einen Entwurf zurück, den der vor allen Dingen als Jugendstil-Pionier bekannte Richard Riemerschmid (1868 – 1957) 1911 entwickelte.
Olaf Gulbransson und die “andere Fee”
Riemerschmid entstammte der gleichnamigen Schnapsfabrikanten-Dynastie, die ihre Werke auf der Praterinsel errichtet hatte und auch noch auf ganz andere Weise der Münchner Kunstszene verbunden war: Bereits 1910 hatte Richards Neffe Robert den zartgrünen Kräuterlikör Escorial kreiert. Ihren endgültigen Durchbruch erlebte die Spirituose 13 Jahre später, als Absinth in Deutschland verboten wurde und Simplicissimus-Zeichner Olaf Gulbransson (1873 – 1958) für die Neugestaltung des Etiketts verpflichtet wurde.
Gulbransson ersann, in gezielter Anspielung auf Absinth, den Beinamen „Die andere Fee“ und entwickelte hierzu auch eine Plakatkampagne. Bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen wird ein mit Tinte und Kreide gearbeiteter Entwurf hierzu angeboten (Schätzpreis 600 Euro), außerdem ein humoristisch illustrierter Brief, in dem er sich für eine Kiste mit Spirituosen bedankt (Schätzpreis 300 Euro).
Silberobjekte aus der Werkstatt M.T. Wetzlar
Zwei große Silbertabletts, diverse Servierobjekte für Kaffee und Tee sowie ein vierteiliges Teeservice, angesetzt mit Schätzpreisen zwischen 420 und 800 Euro, stammen aus dem zwischen 1875 und 1938 bestehenden Silberschmiede-Atelier Wetzlar. Es residierte in der noblen Münchner Maximilianstraße und gestaltete Silberobjekte für den bayerischen Königshof und internationale Fürstenhäuser.
Erst nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden die Umsätze bei M.T. Wetzlar wegen der „Juden-Boykotte“ rückläufig, blieben aber dennoch bis 1938 dennoch in einem Umfang erhalten, dass die geschäftsführenden Brüder Alexander (1893 – 1957) und Heinrich (1891 – 1974) 15 Angestellte beschäftigen konnten. Nach der Reichskristallnacht am 9. November 1938 jedoch wurden sie gezwungen, ihr Geschäft samt Material- und Warenlager zu einem Spottpreis zu verkaufen; beide Brüder emigrierten mit ihren Familien mittellos nach London.
Eine Jugendstilvitrine aus der Hofmöbelfabrik Moritz Ballin
Eine weitere dramatische Geschichte verknüpft sich mit der Hofmöbelfabrik der Familie Ballin, die auch den vorliegenden, auf 1.400 Euro geschätzten Jugendstil-Vitrinenschrank anfertigte. Nach ihrer Gründung im Jahr 1864 entwickelt sich die Möbelfabrikation mit repräsentativer Zentrale am Promenadeplatz rasch zu einem der bedeutendsten Anbieter für Möbel und Einrichtungsgegenstände in der bayerischen Hauptstadt. 1901 übergibt der Gründer Moritz Ballin die Geschäfte an seine Söhne Martin, Robert und Louis; die Firma gestaltet auf internationaler Ebene öffentliche Gebäude und Villen, in ihrer Möbelfabrik in Giesing sind über 300 Angestellte tätig.
Mit Aufkommen des Nationalsozialismus allerdings verschlechtern sich die geschäftlichen Perspektiven zusehends; dennoch gewährt die Familie Herrmann Göring Unterschlupf und Hilfe, als dieser 1923 während des Hitlerputsches angeschossen und von Kameraden in einen naheliegenden Hauseingang geschleppt wird – vor die Eingangstür von Robert Ballin und seiner Familie. Diese Verbindung kann zwar die Fabrik selbst nicht aufrecht erhalten; das als reinen Möbelverkauf weiterbetriebene Geschäft aber können die Ballins durch die Unterstützung Görings immerhin zu vergleichsweise günstigen Konditionen verkaufen, bevor sie 1942 emigrieren.
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