Septemberauktion: Adam, Lucas, Champion – die Vielfalt deutscher Malerei
Gut 60 Nummern umfasst bei der Auktion am 19. September die Kategorie der Gemälde nach 1800. Drei Highlights von Julius Adam II., Wilhelm Lucas und Theo Champion und zeigen beispielhaft, wie verschieden sich Künstler ausdrückten, obwohl alle gegenständlich arbeiteten und alle in einem Zeitraum von 35 Jahren geboren wurden.
Julius Adam II: Von Pferden zu Kätzchen
Julius Adam II (1852 – 1913) war Abkömmling einer auf Schlachten- und Pferdedarstellungen spezialisierten Münchner Künstlerdynastie. Er selbst fokussierte sich allerdings auf eine kleinere Art von Vierbeineren. Dies brachte ihm den Spitznamen „Katzenraffael“ ein. Was aus heutiger Perspektive despektierlich klingt, war aber alleinfalls teilweise so gemeint. Denn Julius Adam erarbeitete sich mit seinen liebevoll beobachteten, detailgetreu wiedergegebenen Katzendarstellungen einen weltweiten Ruf. Er verkaufte seine Bilder keinesweges nur in Bayern, sondern bis in die USA.
Der “Katzenraffael” war weit gereist
Auch er selbst war, anders als sein Sujet und seine tiefe Verwurzelung in München vermuten lassen, weit gereist: Vor dem Besuch der Münchner Kunstakademie hatte er sich vor allem mit Landschaftsfotografie beschäftigt und sechs Jahre als Retoucheur in Rio de Janeiro gearbeitet. 1882 ließ er sich in seiner Heimatstadt als Tier- und Genremaler nieder. Seine meisterlichen Katzenbilder, von denen das Porträt einer Katzenmutter mit ihren Jungen (oben) bei SCHEUBLEIN zum Schätzpreis von 3.000 Euro angeboten wird , brachten ihm nicht nur einen Ruf als Professor an die Akademie. Mit ihnen erzielte er auch ein Einkommen, das ihm den Erwerb einer Villa in Gern ermöglichte.
Wilhelm Lucas: Die Enge der Städte
Wilhelm Lucas (1884 – 1918) dagegen, der „Das Alte Rathaus in München“ (Schätzpreis 6.000 Euro) malte, war in der Kunstmetropole an der Isar nur Durchreisender. Das Bild entstand vermutlich im Zuge mehrerer München-Bilder im Jahr 1916. Zu diesem Zeitpunkt hatte der zuvor primär in Düsseldorf tätige Künstler im Norden bereits alle Zelte abgebrochen: Im Februar des gleichen Jahres war sein Vater gestorben. Seine vermögende Frau hatte nach achtjähriger, schwieriger Ehe die Scheidung eingereicht. Das letzte Atelier in Düsseldorf war aufgelöst. Und sein seit der Kindheit währendes Lungenleiden hatte sich ausgeweitet. Unstet fuhr Lucas in Deutschland umher gen Süden, möglichst weit weg vom Schlachtengeschehen des Ersten Weltkriegs.
Unstetes Reisen
Schon in den Jahren zuvor war Lucas viel umhergereist, hatte Städte durchstreift, hastiges Treiben beobachtet, Straßenszenen gemalt. Wirklich heimisch geworden aber war er nirgends. Überall, selbst in Düsseldorf, war er ein Außenstehender geblieben. Der aus dieser Haltung resultierende, distanzierte Blick, der schon frühere Stadtansichten prägte, wirkt bei den Bildern, die ab 1916 entstanden, noch entfremdeter. Das zeigt sich auch bei dem vorliegenden Bild des Münchner Marienplatzes: Die Wahl des Blickwinkels lässt die Häuser erscheinen wie Kulissen. Das quergestellte Alte Rathaus verhindert jeden Eindruck von Weite. In diesem begrenzten Raum agieren die Menschen fast wie auf einer Bühne. „Die Stadt wird zum Sinnbild dessen, was das Leben ist im übergeordneten Sinn“, schreibt Kunsthistorikerin Andrea Wandschneider in ihrer Lucas-Monographie: „Ich erfahre an ihr paradigmatisch das ,Drama des Lebens‘, ohne jedoch darin involviert zu sein – ich schaue nur zu wie in einer Inszenierung.“
München – Berchtesgaden – Garmisch
Noch eineinhalb Jahre wird Wilhelm Lucas nach seinem München-Aufenthalt weiter durch den Süden Deutschlands reisen, Berchtesgaden besuchen, schließlich in Garmisch Quartier nehmen. Im April 1918 erliegt er dort seiner Lungenkrankheit. Sein Gefühl, vom Leben zunehmend ausgeschlossen zu sein, wird jedoch bereits auf der vorliegenden Ansicht des Münchner Marienplatzes auf berührende Weise fassbar.
Theo Champion: Innere Ruhe in schlimmen Zeiten
Theo Champions (1887 – 1952) entstandene “Weite Landschaft im Morgenlicht” wirkt wie aus der Zeit gefallen: Weit spannt sich die niederrheinische Landschaft bis zum tief gesetzten Horizont. Die Laubbäume, die sie strukturieren, haben im Vordergrund eine fast altmeisterliche Präzision.
Ein knorriger, abgestorbener Stamm, Reminiszenz an Romantiker wie Caspar David Friedrich, akzentuiert eine Spaziergängerin und ein Kind mit Hund, deren Kleidung sich so ohne weiteres keiner Epoche zuordnen lässt. Diese ganz gezielte Zeitlosigkeit markiert eine Art innerer Emigration: Champion konnte zwar die komplette NS-Zeit über weiter ausstellen, zog sich aber von sich aus vom aktiven Kunstgeschehen weitgehend zurück. Auch eine in Aussicht stehende Professur in Berlin schlug er aus. Allerdings unterstützte er Künstlerfreunde, die ins Schussfeld der Nationalsozialisten gerieten, beispielsweise Otto Pankok. Dessen Werk versteckte er zeitweise bei sich, um es vor Hausdurchsuchungen der Gestapo zu bewahren.
Von der Neuen Sachlichkeit zur Malerei unter freiem Himmel
Champions künstlerischer Fokus lag ab 1930 verstärkt auf der Landschaftsmalerei, die er, nachdem er sich in den 1920er-Jahren der Neuen Sachlichkeit verpflichtet hatte, mit Anfang vierzig für sich entdeckte. Er arbeitete ausschließlich unter freiem Himmel. „Draußen malen heißt improvisieren, d. h. ich bekomme Ideen durch das wechselnde Leben. Eine Dame in Himmelblau, ein schwarzer Köter, vielleicht ein Huhn, ein Fetzen Papier, der vom Winde getrieben, in kapriziösen Schwüngen durch die Luft segelt, können ein begonnenes Bild ändern oder bereichern“, schrieb der Maler 1932.
Landschaft als Trost
Während der Kriegsjahre quartierte sich Theo Champion mit einigen Künstlerfreunden in ländlichen Regionen, unter anderem in Xanten ein. Im Studium der Natur fand er eine innere Zuflucht vor dem, was im Land geschah. Das vorliegende, zum Schätzpreis von 3.000 Euro angebotene Bild entstand 1946, als das Rheinland in Trümmern lag. Im gleichen Jahr übernahm er auch einen Lehrauftrag an der Düsseldorfer Akademie. Dort versuchte er, seinen von ihren Kriegserlebnissen gezeichneten Studenten ein Stück weit das innere Heil aufzuzeigen, das im Sich-Einlassen auf eine ruhige Landschaft liegen kann.
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