Highlights der 47. Kunstauktion: München im Blick
Diverse Objekte, die ein Stück Münchner Stadtgeschichte erzählen, stellen einen weiteren Schwerpunkt der Auktion am 29. November dar. Besonders im Blickpunkt stehen eine Statue des Heiligen Georg von Adolf von Halbreiter (1839 – 1898), ein für Oskar von Miller gefertigter Pokal aus der Werkstatt von Theodor Heiden sowie eine 1914 für das Feinkosthaus Alois Dallmayr abgefüllte Flasche Armagnac.
Ritter ohne Furcht und Tadel
Die Statue des Heiligen Georgs geht auf eine Glanzzeit des Münchner Goldschmiedehandwerks zurück. Ihr Urheber, Adolf Halbreiter (1839 – 1898) hatte nicht nur eine Ausbildung im Bayerischen Kunstgewerbeverein genossen, sondern auch an der Kunstakademie unter Hiltensperger und Widmann Bildhauerei studiert, bevor er nach Paris ging, um unter anderem bei Charles Christofle seine Fertigkeiten als Silberschmied und Ziseleur zu verfeinern.
Als er 1871 nach München zurückkehrte und seine eigene Werkstatt gründete, blühte das Kunsthandwerk – zum einen aufgrund der endgültigen Auflösung alter, noch im Zunftwesen begründeter Strukturen, zum anderen durch die vielfältigen Kunstinteressen Ludwigs II.
Der Goldschmied und der König
Zwischen dem Monarchen und Adolf Halbreiter entwickelte sich binnen Kurzem eine intensive Verbindung. Als der Goldschmied 1878 einen Ruf an die Kunstgewerbeschule Dresden erhielt, ernannte ihn der bayerische König zum Titular-Professor und erteilte ihm lukrative Aufträge, um ihn in München zu halten.
Der Heilige Georg als Ritter ohne Furcht und Tadel, wie ihn Halbreiter darstellt, war zur Zeit Ludwigs II. ein durchaus beliebtes Motiv. Zum einen bediente er historistische Träumereien vom Glanz des Mittelalters, zum anderen war es der König selbst, der den Heiligen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, auch bei der Bevölkerung rückte. Ludwig II. war nicht nur Großprior des bayerischen Georgsordens, sondern hatte auch persönlich eine starke Beziehung zu dem Heiligen, die sich in diversen Taschenuhren mit Georgsbildnissen aus seinem Besitz, aber auch an der Georgsdarstellung an der östlichen Giebelfront von Schloss Neuschwanstein ablesen lässt.
Selbstbewusst in neue Zeiten
Der 1897 gefertigte “Elektropokal” legt in vielerlei Hinsicht ein beredtes Zeugnis für ein spannendes Stück Münchner Stadt- und Wissenschaftsgeschichte ab – nicht nur, weil er aus der Werkstatt des Hofgoldschmieds Theodor Heiden stammt, im ausgehenden 19. Jahrhundert eine der besten Adressen für repräsentative Gold- und Silberpräsente, mit Kunden im gesamten deutschen Hochadel.
Ein Pokal für Oskar von Miller
Bestellt wurde das edle Objekt, wie die Inschrift verrät, vom Chemiker Wilhelm von Miller, der gerade dabei war, sich auf einen der Schlüsselbereiche der erstarkenden Industrie zu spezialisieren: der Elektrochemie. Das nötige Labor an der noch jungen Technischen Universität hatte ihm kein geringerer als sein Bruder Oskar von Miller eingerichtet, zu dieser Zeit bereits höchst renommierter und dekorierter Bauingenieur und selbst längst Pionier der Elektro- und Wasserkraft-Turbinentechnik.
Gleichzeitig kündet er Pokal, den Wilhelm Oskar als Dank für dieses Laboratorium anfertigen ließ, auch von einem Dilemma, in das die um sich greifende Technisierung Ende des 19. Jahrhunderts Kunst und Gesellschaft riss: Welchen Rang sollten die zur Ausbildung von Ingenieuren nötigen Technischen Hochschulen innerhalb des Bildungskanons haben? Und wie nähert man sich diesen unbeseelten, emotionsfreien Themen als Künstler?
Heiden bediente sich einer damals gängigen Lösung, in dem er tradiertes, schmückendes Personal – hier einen Putto – mit einer greifbaren Segnung der neuen Technik, einem Elektromotor, verquickte. Und er gravierte auf die Kuppa des Pokals die Fassade des im II. Weltkrieg zerstörten Hochschulgebäudes an der Arcisstraße – seit seiner Errichtung zwischen 1864 und 1868 ein überaus greifbares Beispiel für das neue Selbstbewusstsein der technischen Wissenschaften. “schon die Wahl des Standorts (…) in direkter Nachbarschaft zu den Antikensammlungen und Pinakotheken lässt keinen zweifel an der Absicht aufkommen, dass sich die neue Bildungsinstitution (…) in den Kanon musischer Bildung integrieren sollte”, so der Architekturhistoriker Andreas Lepik, “ihm aber auch selbstbewusst gegenüber stand.”
Aus der Gascogne nach München
Das letzte prominente Objekt aus dem München-Kanon der 47. Kunstauktion erzählt ein ganz besonderes Stück Genussgeschichte.
Der Vieil Armagnac, 1914 abgefüllt für das Münchner Wein- und Delikatessenhaus Alois Dallmayr, trägt bereits den namen von Jeanne Ménal Goudoulin, die erst wenige Jahre zuvor in das Weingut Domaine de Bigor in Courrensan eingeheiratet hatte. Schon seit Generationen wurden hier Armagnacs gebrannt, doch erst Jeanne Ménal Goudoulin war es, die das Haus zwanzig Jahre später zur Weltmarke ausbaute. Zugleich belegt die vorliegende Flasche auch den Rang, den das Haus Dallmayr um 1900 einnahm: Es gehörte zu den führenden Delikatessenhäusern Europas, zählte Fürsten- und Königshäuser und sogar den deutschen Kaiserhof zu seinen Kunden, beschäftigte an die 70 Mitarbeiter und verfügte über ein ganz Europa umspannendes Netz an Produzenten von Weinen und Nahrungsmitteln bester Qualität.
Highlights der 47. Kunstauktion: Hinterglasbilder aus China
Im Blickpunkt bei den Asiatika steht eine 18 Positionen umspannende Sammlung mit höchst ungewöhnlichen Objekten: in China angefertigten Hinterglasbildern.
Von Europa ins Reich der Mitte
Mit ihr öffnet sich ein ganz besonderer Schatz. Denn die Hinterglastechnik ist eine der wenigen Kunstformen, die nicht aus Fernost nach Europa gelangten. Vielmehr wanderte sie in umgekehrter Richtung mit Spiegeln, Flachgläsern und jesuitischen Missionaren nach Osten und konnte ab dem 17. Jahrhundert im Reich der Mitte Fuß fassen.
Die Motive wandeln sich
Zunächst wurden die Bilder vor allem für den Export nach Europa hergestellt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber verbreiteten sie sich auch in China selbst als beliebter Wandschmuck. Entsprechend passten sich die Sujets und Malstile, die sich zuvor an europäischen Kriterien orientiert hatten, nun dem chinesischen Geschmack an. Beliebt waren erotische, aber auch literarische und mythologische Darstellungen.
Schönheit und reiche Nachkommen
Des weiteren gab es Porträts von nach der Mode der Zeit gekleideten Frauen oder auch, auffällig häufig, kleine Knaben, die Früchte mit vielen Kernen essen. Das Motiv verhieß reiche Nachkommenschaft. Nicht umsonst bedeutet das entsprechende Schriftzeichen sowohl “Sohn” wie auch “Kern”.
Highlights der 47. Kunstauktion: Aquarelle von Mili Weber
Bei der Graphik wartet in der Weihnachts-Auktion am 29. November eine zauberhafte Überraschung auf Romantiker und Märchenliebhaber: Drei Aquarelle der Schweizer Malerin Mili Weber (1891 – 1978), deren Werk vielen Besuchern von Kindesbeinen an unbewusst vertraut sein dürfte. Ihre Blumenkinder, Elfen und Pilzwichtel schmücken seit Generationen unzählige Poesiealben, Bilderbücher oder Fleißbildchen aus der Grundschule.
Mili Weber: Liebe zum Reich der Phantasie
Tatsächlich studierte die schon als Mädchen phantasiebegabte Künstlerin aus der Uhrenstadt Biel nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin von 1912 bis 1914 Malerei an der renommierten Privatakademie von Heinrich Knirr in München. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte Weber in die Schweiz zurück, wo sie sich auf Ausmalbilder und Märchenillustrationen spezialisierte. Als ihr Bruder, der Architekt Emil Weber, 1917 in Sankt Moritz ein Haus mit Architekturbüro und Werkstätten, aber auch als Heim für seine ganze Familie baute, zog Mili Weber zu ihm.
Ein Haus wie ein Märchen
Von da an lebte die Malerin bis zu ihrem Tod in diesem Haus, das sie peu à peu in ein Gesamtkunstwerk verwandelte: Möbel, Decken, Wandvertäfelungen – selbst im Badezimmer – wurden von ihr mit Märchenfiguren und -szenen bemalt. Eine von der Künstlerin gestaltete Puppenstube nimmt einen ganzen Raum ein. Ein weiterer Raum ist mit einer Orgel gefüllt, die Mili Weber als Honorar für die Ausmalung eines Kinderzimmers erhielt.
Das Mili Weber-Haus – Ein bezauberndes Museum
Im Jahr nach ihrem Tod wurde das oberhalb des Sankt Moritzersees gelegene Haus als Museum eröffnet. Da die Zimmer sehr klein sind, kann es allerdings nur im Rahmen einer Führung besucht werden, für die man sich am besten vorher anmeldet. Bis 3. Dezember gibt es immer Mittwochs und Freitags eine Nachmittagsführung, ab 4. Dezember sind zwischen Mittwoch und Sonntag jeweils zwei nachmittägliche Führungen angesetzt. Zum hundertjährigen Jubiläum des Mili Weber-Hauses wurde zudem ein Spazierweg mit acht Stationen eingerichtet, auf dem man, mit herrlichem Blick auf See und Berge, verschiedene Stationen im Leben der Künstlerin nachvollziehen kann.
Mili Weber-Aquarelle in der Weihnachtsauktion
Ganz ohne Führung besichtigen und ersteigern können Sie die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen angebotenen Aquarelle “Blumenkind”, “Wintermärchen” und “Kleiner Blumenelf im Mondenschein” (oben, Schätzpreis 1.200 Euro). Sie sind typische Beispiele für Mili Webers zarten, märchenhaften Stil und berühren nicht nur die Herzen von Kindergarten- oder Grundschulkindern.
Highlights der 47. Kunstauktion: Mörser aus Bronze
Eine neun Positionen umfassende Sammlung von Bronzemörsern steht in der Auktion am 29.11. nicht nur im Blickpunkt beim Kunsthandwerk, sie spannt auch den Bogen vom 15. Jahrhundert bis in den Historismus.
Der Mörser: Ein Unsterblicher und seine Geschichte
“Der Mörser ist der einzig Unsterbliche in den Laboratorien, Apotheken, in den Alchimistenstuben, in Werkstätten und Küchen”, schreibt der Kunsthistoriker Alfred Ritter Walcher von Molthein über eines der ältesten Küchen- und medizinischen Geräte der Menschheit.
Holz, Stein und Eisen
Tatsächlich ist das ursprünglich aus hartem Holz oder Stein gefertigte Gefäß zum Zerstoßen und Zerreiben von Pflanzen und Mineralien seit der Jungsteinzeit ununterbrochen im Einsatz. Die vorliegende Sammlung umfasst ausschließlich Mörser aus Bronze, wie sie in Europa seit dem späten Mittelalter hergestellt wurden.
Glocken, Mörser und Kanonen
Meist kamen sie aus Gießereien, die aus schweren Metallen auch Glocken und Kanonen fertigten. Kein reiner Zufall: Als Gerät waren Mörser unmittelbar mit dem Aufkommen der ersten Feuerwaffen im 14. Jahrhundert verbunden – man benötigte sie für das Zerreiben der Zutaten von Schwarzpulver. Und sie waren, obwohl ausschließlich mit der Hand benutzt, durch das Stösseln ähnlich extremen Belastungen ausgesetzt wie Glocken oder Kanonenrohre.
Muster als Schutz
Nicht selten bekamen die Bronzekörper im unteren Bereich Risse. Eine Ausstattung mit Längsrippen, beispielsweise bei zwei süddeutschen Mörsern, hatte deshalb nicht nur dekorative Funktion, sondern trug auch zur Stabilität des Gefäßes bei.
Auch das bis ins 18. Jahrhundert verbreitete Dekor mit Querrippen, die den unteren Teil des Mörser umlaufen, diente der Verstärkung dieses besonders beanspruchten Bereichs.
Weiterentwicklung in Form und Technik
Weitere Mörser, beispielsweise ein Exemplar mit Akanthus-Dekor wohl aus dem 16./17. Jahrhundert zeugen von der enormen Weiterentwicklung der höchst komplexen Bronzeguss-Technik an der Schwelle zur Renaissance.
Die elf Positionen umfassende Sammlung zeigt die große formale und technische Spannweite in er Entwicklung dieses Gerätes von der späten Gotik bis zum Historismus auf.
Nachlese zur Auktion vom 25.10.: Silber, Asiatika und eine venezianische Nacht
Unter intensiver Beteiligung von Bietern im Saal und im Internet verlief am 25. Oktober die Fundgrube-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. Besonders großes Interesse rief dabei das Angebot an Silber, Schmuck, Glas und Porzellan hervor, die nahezu vollständig verkauft wurden. Viele Spitzenlose waren beim Kunsthandwerk und den Gemälden des 19. Jahrhunderts zu finden; gleich eine ganze Reihe an Top-Zuschlägen konnte die Kategorie Asiatika verzeichnen.
Toplos: Eine Holzstele mit Buddha und Fabelwesen
Hier wurde auch der insgesamt höchste Preis dieser Auktion erzielt: Eine große, geschnitzte Holzstele mit roter und goldfarbener Fassung, die einen Buddha, umgeben von Drachen und Fabelwesen zeigt, konnte ihren Schätzpreis verzehnfachen. Sie kletterte bis auf 6.300 Euro*, bevor der Hammer fiel.
Ebenfalls gefragt: Rotlack-Schnitzerei und Keramik
Eine chinesische Rotlackvase in Doppelkürbisform wurde für 4.800 Euro* zugeschlagen.
Das aufwendig gearbeitete Objekt ist ein eindrucksvolles Beispiel für die berühmten, höchst kunstvoll gearbeiteten Schnitzlackarbeiten aus dem Reich der Mitte: Auf einen Trägerkörper werden unzählige Lacklagen aufgetragen, die in der Summe eine Tiefe von mehr als einem Zentimeter erreichen können. In diese Lackschichten werden dann mehrere Millimeter tiefe Muster und Figuren eingeschnitten, die sich zu einem reliefartigen Bild vereinen. Diese Technik verlangt von dem ausführenden Kunsthandwerker ungeheure Präzision, da Korrekturen praktisch unmöglich sind und ein einziges Abgleiten des Messers ein komplettes Werkstück verderben kann.
Ein drittes Toplos der Kategorie Asiatika war eine große Deckelvase aus bemalter Keramik mit einem Fo-Hund als
Deckelknauf. Sie wurde für 1.500 Euro* verkauft.
Erleuchtung beim Kunsthandwerk
Im Blickpunkt beim Kunsthandwerk stand ein geschnitzter Elfenbein-Kerzenschirm, der seinen Schätzpreis mehr als verdoppeln konnte und fast 1.900 Euro* erlöste. Solche Diaphanien mit figürlichen Reliefdarstellungen, die vor Kerzen gestellt wurden und dann ein vielschichtiges, leuchtendes Bild preisgaben, wurden im Lauf des 19. Jahrhunderts sehr populär, nachdem bereits im späten 18. Jahrhundert erste Lichtschirme aus Porzellan gefertigt worden waren. Im Unterschied zu diesen waren Diaphanien aus anderen lichtdurchlässigen Materialien – wie etwa, beim vorliegenden Objekt, Elfenbein – erheblich plastischer ausgearbeitet und erfüllten nicht nur in hinterleuchtetem Zustand, sondern auch bei Tageslicht dekorative Zwecke.
Auch die als Motiv gewählte Schutzengel-Darstellung ist für derartige Kerzenschirme typisch: Sie zeigten meist fast naive, religiös inspirierte Szenen, wie sie der Geisteshaltung der Biedermeierzeit entsprachen. Das vorliegende Objekt ging in den europäischen Kunsthandel.
Eine Nacht in Venedig
Den besten Preis bei den Gemälden
erzielte eine nächtliche Venedig-Ansicht von Conrad Hoff (1816 – 1883).
Dem gebürtigen Schweriner fehlten in jungen Jahren die finanziellen Mittel, um seine Ausbildung an der Kunstakademie in Dresden abzuschließen; deshalb verdingte sich Hoff als Illustrator für Buchverlage und bei verschiedenen Auftragsarbeiten, unter anderem in Wien. Von dort aus unternahm er eine ausgedehnte Studienreise nach Venedig. Die dort entstandenen Skizzen bildeten später die Basis diverser Venedig-Ansichten, gerne in nächtlicher Stimmung, wie beim vorliegenden Bild. Es wurde für 3.500 Euro* zugeschlagen.
Highlights der Fundgrube-Auktion am 25. Oktober: Licht und Landschaft
Ein reiches Angebot an Silber, Porzellan, Möbeln und Graphik flankiert die 113 Positionen mit Gemälden des 19. und 20. Jahrhunderts, die im Zentrum der Fundgrube-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen am 25. Oktober stehen. Wie stets bietet die „kleine“ Auktion des am Münchner Goetheplatz ansässigen Hauses in allen Kategorien Trouvaillen auch für den kleinen Geldbeutel, die darauf warten, entdeckt zu werden. Besonders interessante Objekte sind diesmal bei den Asiatika und beim Kunsthandwerk zu finden.
Schöner Schein
Hier steht ein geschnitzter Elfenbein- Kerzenschirm aus dem 19. Jahrhundert (Schätzpreis 800 Euro) besonders im Blickpunkt. Derartige Objekte kamen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert auf und waren zunächst vor allem aus Porzellan gefertigt – wenn es gelingt, den Scherben sehr, sehr dünn zu halten, hat er transluzide Qualitäten. Ergänzend zu diesen sogenannten Lithophanien aus Biskuitporzellan kamen im Lauf des 19. Jahrhunderts auch Diaphanien aus anderen lichtdurchlässigen Materialien wie Elfenbein auf. Sie wurden meist erheblich plastischer ausgearbeitet als ihre Pendants aus Porzellan und erfüllten so nicht nur in hinterleuchtetem Zustand, sondern zu jeder Tageszeit dekorative Zwecke und gaben ihr Bild preis.
Die gewählten Bildmotive entstammen meist der Geisteshaltung der Biedermeierzeit und zeigen häufig fast naive, religiös inspirierte Szenen wie die minutiöse Schutzengel-Darstellung auf dem Kerzenschirm, der bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen angeboten wird. Das Flackern der die Diaphanie hinterleuchtenden Kerze verlieh dem Bild eine besondere Lebendigkeit. Aus heutiger Sicht hat ein solches Objekt nicht nur wegen seiner kunsthandwerklichen Qualität seinen Reiz. Es führt uns auch ein Stück weit zurück in eine Zeit, in der es weder Elektrizität noch Gasbeleuchtung gab und künstliches Licht für die meisten Menschen einen unermesslichen Luxus bedeutete, den es zu präsentieren und zu „bekleiden“ galt.
Schöne Frauen, Kabuki und der Weg nach Kyoto
Bei den Asiatika liegt ein besonderes Augenmerk auf fünf Positionen mit klassischen japanischen Farbholzschnitten der späten Edo- und frühen Meiji-Zeit. Die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegende Auswahl enthält unter anderem Drucke von allen drei zentralen Künstlern, die das Erscheinungsbild dieser graphischen Kunstform im 19. Jahrhundert besonders prägten: Utagawa Kunisada (1786 – 1865), Utagawa Kuniyoshi (1798 – 1861) und
Utagawa Hiroshige (1797 – 1858).
Die Positionen umfassen auch die gebräuchlichsten Motive des Genres: Die vier Holzschnitte von Kunisada zeigen zwei Kabuki-Künstler und zwei der „53 Stationen des Tokaido“, der vielfach wiedergegebenen Raststationen auf dem Weg von Edo (= Tokio) in die alte Kaiserstadt Kyoto (Schätzpreis
400 Euro).
Eine weitere Position mit vier wohl aus der Hand von Kunisada stammenden Drucken enthält unter anderem ein Blatt des Triptychons „Ueno no bosets“ – „Schneefall im Zwielicht bei Ueno“. Zwei weitere Positionen, auf 300 und 240 Euro taxiert, enthalten unter anderem sogenannte „Bijn“-Drucke mit Darstellungen schöner Frauen.
Die einzige Landschaftsdarstellung in der Auswahl bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen wird als Einzelposition angeboten und stammt von jenem Künstler, der nicht nur in seiner japanischen Heimat dieser Darstellungsform mit völlig neuartigen Kompositionen revolutionierte, sondern dessen Werk auch von zahlreichen europäischen Künstlern adaptiert wurde, angefangen bei den Impressionisten, aufgehört bei Vincent van Gogh, der Hiroshige in einigen Gemälden deutlich wiedererkennbar zitiert. Sein in der Fundgrube-Auktion enthaltener Holzschnitt ist ebenfalls den „53 Stationen des Tokaido“ zuzuordnen und zeigt die Honno-gahara-Ebene am Fuß des Honzaka-Passes. Der Druck wird zum Schätzpreis von 80 Euro aufgerufen.
Ergebnisse 46. Kunstauktion: Altmeister, Skulptur und Graphik der Moderne
Eine Sammlung mit hochkarätigem Augsburger Silber aus dem späten 17. und frühen 18. Jahrhundert, Graphik der klassischen Moderne und Hinterglasbilder aus der Staffelseeregion von herausragender Qualität standen im Zentrum der 46. Kunstauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. Fast 500 Bietern aus dem In- und Ausland beteiligten sich am 20. September im Saal, per Telefon und im Internet an der fast 600 Lose umfassenden Versteigerung. Besonders hoch kletterten ein nach dem Vorbild einer Ikone gestaltetes, altmeisterliches Gemälde sowie ein klassizistisches Marmorrelief, das Amor und Psyche zeigt.
Das Spitzenlos: Eine ikonenhafte Madonna
Zum Spitzenlos der Auktion entwickelte sich eine Mariendarstellung des 16./17. Jahrhunderts, entstanden wohl im italo-
dalmatischen Raum. Es zeigt die Gottesmutter mit Kind in typisch ikonenhafter Darstellung: Die auf teilweise punzierten Goldgrund gemalte Madonna mit dem dunkelblauen, goldgeränderten Schleier (Maphorion) und den drei ihre Jungfräulichkeit symbolisierenden Goldpunkten auf Kopf und Schultern hält das wie ein Erwachsener gekleidete und körperlich ausgebildete Christuskind auf dem rechten Arm; beide sind halb frontal dargestellt, halb einander zugewandt.
Damit ist das Gemälde eine Mischform aus einer Variante des wohl berühmtesten Ikonentypus, der „Hodegetria“, bei der die Gottesmutter ihren Sohn dem Betrachter als Weltherrscher und Erlöser präsentiert, und der „Eleousa“, bei der Mutter und Kind in inniger Verbundenheit dargestellt sind. Über Jahrhunderte hinweg prägten diese Ikonenformen nicht nur die byzantinische Kunst, sondern auch die Mariendarstellungen des westlichen Mittelmeerraums – eindrucksvoll nachzuvollziehen in den Florentiner Uffizien, wo an drei Madonnen von Cimabue, Duccio di Buoninsegna und Giotto die Übernahme dieser Vorbilder durch die italienische Kunst des Mittelalters unmittelbar sichtbar wird. Erst mit Aufkommen der Renaissance traten diese ikonographischen Chiffren hinter neue, freier gestaltete Marienbilder zurück. Das auf das 16./17. Jahrhundert zurückgehende Gemälde aus dem Angebot von SCHEUBLEIN Art & Auktionen ist der Ikonen-Tradition dagegen noch vollkommen verhaftet. Er kletterte bis auf 21.400 Euro* und ging in den internationalen Kunsthandel.
Skulpturen: Ewige Liebe
Ein klassizistisches Marmorrelief aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts greift ein beliebtes Sujet der Goethezeit auf: die Liebesgeschichte von Amor und Psyche. Das in großen Teilen äußerst minutiös gearbeitete Relief zeigt den Moment, in dem die von Windgott Zephyr zu einem ihr unbekannten Geliebten entführte Psyche dessen wahre Identität erkundet. Sie schleicht sich mit einer Öllampe zu dem schlafenden Amor. Entzückt von seiner Schönheit und bestärkt in ihrer Liebe tritt sie näher heran, um den Geliebten zu betrachten, wobei sie ihn mit Tropfen des heißen Öls aus der Lampe unabsichtlich verbrennt.
Dass sie ihm in der vorliegenden Darstellung auch einen Pfeil entwendet, symbolisiert, dass auch Amor in ewiger Liebe zu ihr entflammt ist. Das Relief kletterte bis auf 15.000 Euro* und ging in den Kunsthandel.
Graphik: Top-Preise für Picasso und Braque
Zwei Giganten der klassischen Moderne bestimmten das Bild bei der Graphik: George Braque (1882 – 1963) und Pablo Picasso (1881 – 1973). Braques über das Verhältnis von Fläche, Form und Struktur reflektierende, späte Farbradierung „Trois oiseaux en Vol (1961)“ wurde nach einem intensiven Bietergefecht für 5.900 Euro* zugeschlagen und ging an einen privaten Sammler.
Mit seinem Meisterdrucker Piero Crommelynck (1934 – 2001) sind die beiden Picasso-Blätter verbunden, die ebenfalls ausgezeichnete Ergebnisse erzielten. Ein radiertes Porträt des Druckexperten, der gemeinsam mit seinem Bruder seine Werkstatt extra in die Nähe von Picassos Villa in Mougins verlegte, um möglichst eng mit dem Kunstgenie zusammen arbeiten zu können, erzielte 3.400 Euro*; die in Aquatinta und Kaltnadel ausgeführte Szene „Dans l‘atelier“, die in Crommelyncks Werkstatt ausgeführt wurde, stieg bis auf 5.800 Euro*. Beide Picasso-Graphiken gingen in den Kunsthandel.
Highlights 46. Kunstauktion: Graphik der Klassischen Moderne
Ein Augenmerk der 46. Kunstauktion ruht erneut auf Graphik der klassischen Moderne – von Picasso und Braque, Nolde und Dix, Chagall und Gauguin (oben : La femme aux figues, Schätzpreis 3.000 Euro).
Das Toplos: Emil Noldes “Die Heiligen Drei Könige”
Das Toplos in dieser Kategorie stammt von Emil Nolde (1867 – 1956): Dessen Lithographie „Die Heiligen Drei Könige“, angeboten zu einem Schätzpreis von 8.000 Euro, wurde als Jahresdruck des Kölner Sonderbunds im Jahr 1913 erstmals aufgelegt. In den Jahren zuvor hatten Gemälde mit religiösen Motiven aus der Hand Noldes bereits für handfeste Diskussionen gesorgt: Sein tief expressionistisches „Pfingsten“, das er 1910 bei der Berliner Secession eingereicht hatte, wurde vor allem von Secessionspräsident Max Liebermann brüsk abgelehnt. Und sein Zyklus zum Leben Christi von 1912, vom Bankier und Nolde-Förderer Karl Ernst Osthaus 1912 auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt, löste bei Katholiken wie Protestanten einen Skandal aus, weil sie die Art und Weise, wie Nolde die zwölf Apostel dargestellt hatte, als unpassend empfanden. Osthaus, Begründer des Folkwang-Museums und Mitglied des Kölner Sonderbunds, hielt seinem Protegé die Treue und verschaffte ihm den Auftrag des Jahresdrucks von 1913, der in einer Auflage von 300 Exemplaren herausgegeben wurde. Nach Fertigstellung des Drucks, der von dem Gelb der Strahlen des Sterns von Bethlehem geprägt wird – ihm entspricht auch das bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegende Blatt –, revidierte Nolde die Farbgebung der Lithographie und brachte 1913 sowie 1925 / 26 zwei anders kolorierte Fassungen heraus.
Im Blickpunkt: Kinderbildnisse von Otto Dix
Für den Maler Otto Dix (1891 – 1969) zeitlebens ein wichtiges Bildmotiv: Gegenpole zu seiner Auseinandersetzung mit Krieg, Tod und dem menschenverachtenden Treiben in den Großstädten der Zwanziger Jahre, später, in Zeiten der inneren Emigration während der NS-Diktatur, geistiger Trost und Rückzugsort.
Darüber hinaus sah Dix in Kindern, die er häufig auch im Kontrast zu Erwachsenen, gar alten Menschen zeigt, immer auch einen Ausdruck der unbezwingbaren Kraft des Lebens, das auch in Anbetracht von Tod, Brutalität und Gewalt seinen Weg findet, weitergeht und immer neu beginnt.
In den letzten 15 Jahren seines Schaffens, als er sich längst von der altmeisterlichen Lasurmalweise des Hauptwerks einer kraftvollen Alla Prima-Malerei zugewandt hat, besonders auch nach dem tragischen Tod seiner Tochter Nelly im Frühjahr 1955 , rückten Kinder verstärkt in den Fokus von Gemälden wie auch von graphischen Arbeiten wie dem „Mädchen mit Katze“ von 1956. Die Farblithographie wird bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen in der Herbstauktion am 20. September zum Schätzpreis von 4.000 Euro aufgerufen.
„Auch aus den folgenden Jahren sind weitere charakteristische Beispiele für die Intensität bekannt, mit der Otto Dix Kinder zu deuten verstand“, schreibt ein Dresdner Freund des seit den dreißiger Jahren am Bodensee lebenden Malers, der Kunsthistoriker Fritz Löffler. In einem Bändchen mit später Graphik, das neben dem „Mädchen mit Katze“ auch eine Version des „Hafenarbeiters mit Kind“ enthält, die bei SCHEUBLEIN ebenfalls zum Schätzpreis von 4.000 Euro angeboten wird, analysiert Löffler derartige Doppeldarstellungen von Kindern mit alten, aber auch mit müden, abgearbeiteten Menschen „noch einmal als Konfrontation von Jugend mit Verfall und Tod, die Dix, gleich dem von ihm verehrten altdeutschen Meister Hans Baldung Grien, so oft beschäftigt hat.“
Flächen und Formen: Georges Braque
„Vergessen wir die Dinge, betrachten wir nur die Beziehungen“, schreibt Georges Braque (1882 – 1963). Gerade für seine späteren Graphiken wie die vorliegende Farbradierung „Trois oiseaux en vol“ von 1961 bekommt diese Forderung eine ganz besondere Bedeutung: Stand in den kubistischen Graphiken noch die Linie als zentrales gestalterisches Element im Vordergrund, verlagert sich das Augenmerk später zunehmend auf das Spannungsfeld von Flächen und Formen, die Braque wie Chiffren immer wieder verwendet und uns durch minimale Veränderungen immer andere Dinge erkennen lässt: Monde oder Fische, Körper oder Kannen, und immer wieder: Vögel. „Wer zu Braques Graphik den Formschlüssel gefunden hat“, schreibt der Kunstwissenschaftler Werner Hofmann in seinem Überblickswerk über das graphische Schaffen Georges Braques, „dessen wanderndes Auge findet in den farbigen Radierungen und Lithographien reiche, unerschöpfliche Nahrung. Ihre scheinbar einfache lesbarkeit trügt: Sie verlangen ein fleißiges, vergleichendes Auge. In Wahrheit hängen sie an geheimen Fäden zusammen und bezeugen, was schon die frühen Radierungen erkennen ließen: Dass jeder Form mehrsinnige Möglichkeiten innewohnen. Darin liegt die gestaltende Kraft des großen Meisters, der mit wenigem vieles bestreiten kann.“
Picasso und sein Meisterdrucker
Er zählt zu den häufigsten Modellen Pablo Picassos (1881 – 1973). Doch Piero Crommelynck (1934 – 2001) ist weder Künstlerkollege noch Freund, noch ein Bekannter aus dem Südfranzösischen Mougins. Crommelynck ist nichts von alledem – und mehr als das: Der belgischstämmige Italiener betrieb, gemeinsam mit seinem Bruder Aldo, die Druckwerkstatt, ohne die Picassos umfassendes graphisches Spätwerk nicht möglich gewesen wäre. 1959 eröffnen die Brüder ein Atelier in Paris; bald zählen sie Braque und Miró, Giacometti und Le Corbusier, André Masson und Hans Arp zu ihren Kunden, Mit keinem Künstler aber ist die Zusammenarbeit so intensiv wie mit Pablo Picasso. Der hatte bereits vor einigen Jahren seinen Wohnsitz nach Südfrankreich verlegt; 1963 ziehen die Crommelyncks mit und stellen ihre Druckerpresse in einer alten Bäckerei unweit von Picassos Villa in Mougins auf. „Nur wenige Menschen können von sich behaupten, eine wirklich enge und starke Beziehung zu Pablo Picasso gehabt zu haben“, sagt Picasso-Spezialist Werner Spiess. „Piero hatte sie.. aber er war ein überaus diskreter Mann. Nur dank Jacqueline Roque weiß ich, wie oft Pieros profundes Wissen über graphische Herstellungsprozesse für Picasso eine fruchtbare, unverzichtbare Inspirationsquelle war.“ Innerhalb von zehn Jahren entstehen auf diese Weise in engster, phasenweise täglicher Zusammenarbeit 750 Blätter. Als Dank, und weil Piero Crommelyncks Erscheinungsbild ihn an seinen Vater erinnerte, verewigt Picasso Crommelynck in seinen Musketier-Zyklen, aber auch in Porträts wie der vorliegenden Radierung „Porträt des Piero Crommelynck II“ von 1966. Bis zu Picassos Tod bleiben die Crommelynck-Brüder in Mougins. Erst danach kehren sie wieder nach Paris zurück.
Weitere Highlights
Nachschau 45. Kunstauktion : Picasso, München und Memento Mori-Objekte
Gleich drei Privatsammlungen standen bei der 45. Kunstauktion bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen im Blickpunkt des Bieter-Interesses: 35 Aquarelle mit Alt-Münchner Ansichten von August Seidel (1820 – 1904), rund 40 Gemälde und Skizzen des Münchner Spätimpressionisten Otto Strützel (1855 – 1930) sowie Graphik der klassischen Moderne und Asiatika aus dem Besitz des SPD-Politikers Georg Kahn-Ackermann (1918 – 2008).
Hoch im Kurs: Graphik der Moderne
Aus dessen Sammlung stammt auch das Top-Los der diesjährigen Sommer-Auktion: Die Lithographie „Jeune fille inspirée par Cranach“ von Pablo Picasso (1881 – 1973) wurde nach einem intensiven Bietergefecht für 29.000 Euro* an einen privaten Bieter zugeschlagen. Generell las sich das Künstlerverzeichnis der Sammlung Kahn-Ackermann wie ein Who‘s Who der europäischen Kunst der 1920er- bis 1950er-Jahre; entsprechend gefragt waren auch die Graphik-Blätter, beispielsweise die Zeichnung „Beim Galeristen“ von George Grosz (1893 – 1959). Für 3.300 Euro* ging das Blatt in den Kunsthandel.
Gefragt: Memento Mori-Objekte
Eine Passage mit elfenbeinernen Memento Mori-Objekte aus dem 17. und 18. Jahrhundert stand ebenfalls hoch in der Gunst der Bieter. Sämtliche Objekte wurden weit über ihrem Schätzpreis zugeschlagen.
Die beiden Spitzenlose konnten ihre Taxe sogar mehr als verfünffachen: Ein sieben Zentimeter großer Männerkopf, halb in den ersten Stadien der Verwesung, halb als Totenschädel dargestelt, kletterte von 1.200 bis auf 6.400 Euro*; ein Totenschädel mit Schlange und Echse stieg von 1.000 auf 6.900 Euro*, bevor der Hammer fiel. Beide Skulpturen, die ursprünglich zur Intensivierung der religiösen Andacht gedient hatten, gingen in den internationalen Kunsthandel.
Highlight bei den Altmeistern: Tod des Hl. Nepomuk
Ein „Tod des Heiligen Nepomuk“ in der Art des österreichischen Barockmeisters Franz Anton Maulbertsch (1724 – 1796) entwickelte sich zum Toplos bei den Altmeistern.
Die Ölskizze zeigt eindrucksvoll eine für den Spätbarock überaus modern anmutende Lichtführung. Dieser fast schon impressionistisch anmutende Umgang mit Licht- und Schatteneffekten machte Maulbertschs Gemälde zu einer wichtigen Inspirationsquelle für die österreichische Moderne, unter anderem für Oskar Kokoschka. Die 38 x 23,5 cm große Studie wurde für 5.000 Euro* an einen privaten Sammler verkauft.
Eindrucksvolles Ergebnis: August-Seidel-Aquarelle
Bei der Graphik erregte eine Sammlung mit 35 Aquarellen aus der Hand des Münchner Malers August Seidel (1820 – 1904) besonderes Aufsehen: Die Blätter zeigen samt und sonders Ansichten der Hauptstadt Bayerns, bevor sich diese in den 1880er- und 1890er-Jahren in eine pulsierende Großstadt verwandelte: Stände am Viktualienmarkt, Häuserzeilen im heutigen Glockenbachviertel, Bauern- und Wäscherhäuser, und immer wieder Ausblicke auf München, vom Sendlinger und vom Nockherberg aus, von der Heidelandschaft des Münchner Nordens oder der Theresienwiese, auf der gerade die Heuernte stattfindet. Für insgesamt 35.000 Euro* gingen die Bilder an einen privaten Sammler; zu besonders intensiven Bietergefechten kam es um einen „Blick auf München und die Maria-
hilfkirche“, der für 3.000 Euro* zugeschlagen wurde, sowie einen „Blick von Norden auf München und die Alpen“; dieses Blatt erzielte 2.300 Euro* .
Grützner und Compton punkten beim 19. Jahrhundert
Werke von Eduard von Grützner (1846 – 1925) und Edward Theodore Compton (1849 – 1921) erzielten die besten Preise bei den Gemälden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. „Bruder Kellermeister“, ein typisches Motiv für den auf sinnenfreudige Mönche spezialisierten Grützner, erlöste 8.200 Euro*. Der „Blick auf die Trettachspitze“, einen Berg hinter Oberstdorf, den der Maler und passionierte Bergsteiger Compton gemalt hatte, wurde für 7.600 Euro* zugeschlagen.
Größter Sprung: Altenburger Steinzeug
Den größten Sprung bei den Losen der Sommerauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen verzeichnete ein Steinzeug-Krug aus Altenburg. Das vorliegende Trinkgefäß entstand zur Blütezeit der örtlichen Töpfereikultur, die das thüringische Städtchen im ausgehenden 17. Jahrhundert erlebte, nachdem Anfang des Jahrhunderts in den umliegenden Wäldern Tonvorkommen entdeckt worden waren. Rasch wurde das schlichte, salzglasierte Steinzeug zu einem wichtigen Handelsgut, das auch weit über die Landesgrenzen hinaus verkauft wurde. Der vorliegende, Ende des 17. Jahrhunderts entstandene Kugelbauchkrug mit Zinndeckel wurde auf 250 Euro taxiert, kletterte in der Auktion aber bis auf 2.500 Euro*.
Noble Reflektion: Pfeilerspiegel des Empire
Die Liebe des Empirestils zur Antike wird an einem Paar Pfeilerspiegel deutlich, die im Lauf der Auktion am 5. Juli bis auf einen Zuschlagspreis von 5.000 Euro* stiegen. Die Form ist dem verkröpften Gebälk einer Tempelfront nachempfunden, die zierlichen schwarzen Säulen tragen korinthische Kapitelle, die goldfarbenen Stukkaturen sind Akanthusfriesen nachempfunden. Und die grüngrundigen Felder ober- und unterhalb der Spiegel zeigen antikisierende Szenen. Die Pfeilerspiegel gingen in den Kunsthandel.
Highlights 45. Kunstauktion: Gemälde von Otto Strützel aus der Sammlung Müller
Über 40 Gemälde und Zeichnungen Otto Strützels (1855 – 1930) aus dem Besitz von Erich und Thomas Müller vervollständigen den “Sammlungs-Dreiklang”, der das Bild der Sommerauktion 2019 entscheidend prägt. Die Offerte reflektiert die ganze Breite des Schaffens des Münchner Spätimpressionisten, von den Anfängen bis zum Spätwerk.
Schafe, Pferde und Kühe
“Im Frühling und im Herbst muss man draußen malen”, lautete die Maxime des aus Dessau stammenden Malers, der 1885 nach München übersiedelte. Ihr blieb er sein Künstlerleben lang ebenso verpflichtet wie einigen zentralen, sein gesamtes Werk prägenden Motiven: Ansichten der oberbayerischen, voralpinen Landschaft, Schafherden, Pferden und Kühen sowie der bäuerlichen Arbeit, die Strützel nicht verklärt darstellt, sondern auch ihre Härten und Mühen im Bild sichtbar werden lässt.
Otto Strützel und das bäuerliche Leben
Da die Sammlerfamilie Müller, die die Arbeite teilweise über drei Generationen hinweg in ihrem Besitz hatte, der Landwirtschaft stets eng verbunden war, liegt hier auch ein Schwerpunkt der vorliegenden Sammlung. Das Spektrum reicht von Tierstudien zu Kühen, Pferden und vor allem Schafen bis zu eindrucksvollen Ölgemälden wie “Ochsen am Pflug im spätherbstlichen Dachauer Moos” oder “Weidende Schafherde und Bauer mit Kuhgespann”.
Jahreszeit und Landwirtschaft
Jedes der beiden Bilder spiegelt die Schönheit von Landschaft und jahreszeitlicher Stimmung al mit allen Sinnen wahrgenommenen Eindruck wieder: Bei den Ochsen am Pflug meint man den Geruch der vom Pflug aufgerissenen Erdschollen förmlich zu richen. Bei der “Weidenden Schafherde…” suggeriert der strahlend blaue, wolkendurchzogene Himmel und das noch kaum verfärbte Blattwerk der Bäume einen einladenden, fast noch spätsommerlichen Tag. Doch die beiden menschlichen Figuren bewegen sich keineswegs leichtfüßig durch die sonnendurchflutete Szenerie. Sie sind gebückt und gehen schweren Schrittes, müde von einem langen Arbeitstag.
Noch deutlicher wird dieser Aspekt bei den “Ochsen am Pflug…”: Tief sinken die Hufe der Tiere in den Morast ein, mit aller Kraft müssen sie sich gegen das Stirnjoch stemmen, um den Pflug in dem schweren Erdreich vorwärts zu bewegen. All dies sind Bildmotive, bei denen Otto Strützel seine spätimpressionistische Bildauffassung um realistische Aspekte erweitert.
Licht und Wetter
Seine reinen Landschaftsdarstellungen dagegen sind ganz von Licht- und Witterungsstimmungen geprägt – von den sich im Wasser spiegelnden Wolken und Berggipfeln im “Königssee” (ganz oben) bis zur sich blaugrau vor schweren dunklen Wolken abzeichnenden Gebirgskette in dem späten, bei Ohlstadt entstandenen Gemälde “Vor dem Regen”.
Otto Strützel im Kontext der Münchner Malerei
“Wie bei den Malern der ,Scholle’ wie z.B. bei Leo Putz oder Erler baut Strützel die Bildobjekte streng aus einzelnen Teilen zusammen, die sich dann zum Objekt zusammenfügen. Das Verschwimmende und Flimmernde wird hier gemieden. Klar konturiert in der Binnenfläche und im Umriss erscheint der Gegenstand”, schreibt der Kunsthistoriker Horst Ludwig anlässlich einer Strützel-Ausstellung in der Neuen Pinakothek. “Stilistisch gehören solche Arbeiten einem Impressionismus an, der von der expressiven Handschrift eines Corinth gleichermaßen entfernt ist wie von der feintonigen Freilichtmalerei eines Adolf Lier.”