Im Blickpunkt am 1. Dezember: Eine Kirchenszene von Rudolf Dammeier
Zu den absoluten Highlights bei der Graphik gehört ein auf Keilrahmen aufgezogenes Aquarell des Berliner Malers Rudolf Dammeier (1851 – 1936), das Tiroler Bauern zeigt, die 1889 eine Messe besuchen. Das Bild, das mit einem Schätzpreis von 1.200 Euro aufgerufen wird, besticht durch seine Detailfreude ebenso wie durch seine innige Ausstrahlung.
Ihr Sonntagsg’wand haben die Bauersleute von Schenna angelegt, samt der prächtigen Federkielranzen. In tiefer Andacht verharren sie, die Hüte gezogen, vor der Kirchentür. Die Stille, die Tiefe ihres Gebets, sie ist fast greifbar präsent. Nichts Volkstümliches, nichts genrehaft Humoristisches hat das Aquarell, mit dem der Berliner Maler Rudolf Dammeier die innige Szene festhielt; jedes Detail, jeder Pinselstrich ist der im besten Sinne der realistischen Wiedergabe dieses Moment verpflichtet.
Rudolf Dammeier – eigentlich ein Architektur-Spezialist
Angesichts dieses Bildes erstaunt es auf den ersten Blick, dass Dammeier heute keineswegs mit Szenen und Porträts aus dem bäuerlichen Milieu im Gedächtnis blieb, sondern vor allem mit Interieurs und Detailansichten historischer Bauten. Der Schwerpunkt, den er darauf legte, hat auch damit zu tun, dass er vier Jahre an der Berliner Bauakademie Architektur studierte, bevor er seine eigentliche Berufung erkannte und an die Königlich Preußische Akademie der Künste wechselte. Mit seinem nun in Gemälden festgehaltenen Blick für architektonische Sturkturen und Proportionen feierte er rasch erste Erfolge.
Entdeckungen in Schenna
1881 allerdings kommt es zu einem Bruch in Dammeiers künstlerischer Entwicklung. Erstmals reist er mit Freunden nach Schenna bei Meran und ist von dem damals vom Fremdenverkehr noch unberührten Dorf so begeistert, dass er bis 1892 jährlich seine Sommer dort verbringt. Tagsüber malt er im Freien, abends in den Wirtsstuben. Es entstehen Porträts und stille Szenen: ein Wirtshaushof, ein Bauer auf einer Bank, eine Schmiede, eine Laube – „simple Motive, aber frisch gesehen und mit Geist gemalt“, wie der Kunstkritiker Hans Rosenhagen (1858 – 1943) 1922 in einem Aufsatz für Velhagen & Klasings Monatshefte schreibt.
Schwierige Zeiten für den Realismus
Dammeier entdeckt in Schenna, dass er malerisch ein wesentlich größeres Spektrum hat als Außen- und Innenarchitektur; der zurückhaltende Realismus allerdings, dem er sich nun verpflichtet fühlt, hat in Deutschland keinen leichten Stand. Seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sind beim Gros der Käufer Strömungen, die französisch beeinflusst sind, noch immer verpönt; bevorzugt wird nach wie vor ein entweder humorisierender oder idealistisch-verklärter Blick auf die bäuerliche Lebenswelt.
Der Höhepunkt von Dammeiers Schaffen
Dammeier tut sich schwer, seine Schenna-Arbeiten zu verkaufen; zudem bekommt sein bäuerliches Idyll Ende der 1880er Jahre erste Risse: Der wachsende Zustrom von Fremden schwappt über die Meraner Stadtgrenzen hinaus aufs Land und macht sich auch in Schenna deutlich bemerkbar. Anfang der 1890er Jahre kehren Dammeier und seine Freunde dem Ort traurig den Rücken, und auch künstlerisch hält sich der Maler wieder eher an seine angestammten Sujets. Seine „Tiroler Bauern während der Messe“ wertet Hans Rosenhagen als Höhepunkt von Dammeiers Schaffen in der Schennaer Zeit – es zeige wohl am deutlichsten, wie weit es der Künstler in der Aquarelltechnik und in der Bauernmalerei gebracht habe und sei „ein vollkommenes Kunstwerk, von ganz persönlicher Prägung“.
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