Im Blickpunkt am 22. März: Die Bürgermedaille von Anton Riemerschmid
In der Rubrik Kunsthandwerk/Varia wird in der Frühjahrsauktion 2024 ein Objekt angeboten, das gleich in mehrfacher Hinsicht im Hinblick auf die Münchner Stadtgeschichte interessant ist: die Bürgermedaille, die 1877 dem Spirituosenfabrikanten Anton Riemerschmid verliehen wurde. Sie wird auf 2.200 Euro taxiert.
Die Medaille von Anton Riemerschmid: Ein einzigartiges Objekt
Als der Spirituosenfabrikant (1802 – 1878) die Goldene Bürgermedaille der Stadt München 1877 bekam, erhielt er zwar die gleiche Münze wie der Bildhauer und Erzgießer Ferdinand von Miller, sein Vorgänger bei dieser Ehrung, und sein Nachfolger, der Besitzer der Spatenbrauerei, Gabriel Sedlmayer. Und doch war das Objekt, das Riemerschmid überreicht wurde, völlig einzigartig. Denn die Stadt München, so die Kunstsachverständige Verena Dirnberger in ihrem Gutachten, ließ für jede Medaille eine andere Präsentation entwerfen. Im Fall der Auszeichnung für Anton Riemerschmid war das eine aufwändig gearbeitet Elfenbeinkapsel, in die die Medaille eingebettet war.
Der Meerschaum- und Elfenbeinschnitzer Anton Diessl
Ausführende dieser Präsentationen waren Münchner Künstler und Kunstgewerbler. „Maßgeblich an verschiedenen Ehrengaben beteiligt, war der Hofelfenbeinschnitzer Anton Diessl (1837 – 1918). Seit 1872 wurde Diessl im Verzeichnis des Kunstgewerbevereins in München geführt, erst nur als Meerschaumschnitzer und ab 1873 auch als Elfenbeinschnitzer, schließlich als Hofelfenbeinschnitzer. Seine Arbeiten wurden auf verschiedenen Ausstellungen des Vereins und auch auf den Weltausstellungen gezeigt“, schreibt Dirnberger. Die Gutachterin führt an, dass Diessl nachweislich für einige Geschenke der Stadt München verantwortlich zeichnete und zieht den Schluss, dass es sich bei der Kapsel für diese Bürgermedaille vermutlich ebenfalls um eine Arbeit Diessls handelt.
Der Unternehmer Anton Riemerschmid
Nicht weniger ungewöhnlich als die Elfenbeinkapsel, die Riemerschmids Medaille umhüllte, waren auch die Leistungen, mit denen der gebürtige Burghausener seine Wahlheimat München mitgeprägt hatte: Riemerschmid war 1835 in die Münchner Weingeist-, Likör- und Essigfabrik Tip & Vigl eingestiegen. 1852 hatte er sie allein übernommen, auf die Praterinsel verlegt und mit Wissenschaftlern wie Justus von Liebig und Max von Pettenkofer neue Verfahren zum Spirituosenbrand und der Essigerzeugung entwickelt.
Ein Meilenstein der Frauenbildung: Die Gründung der Riemerschmid-Wirtschaftsschule
Ab 1862 hatte er sich zudem eines Notstands angenommen, der vor allem jungen Frauen des Bürgertums zu schaffen machte: Fanden sie keinen Ehemann und war ihr in Aussicht stehendes Erbe nicht groß genug, um sie ein Leben lang zu ernähren, mussten sie entweder von männlichen Verwandten mitversorgt werden oder der völligen Verarmung ins Auge sehen. Denn Berufsperspektiven gab es für sie keine. Auch ihre Schulbildung war ausschließlich auf ein Leben als Ehefrau ausgerichtet und nicht dazu Nutze, irgendeine Erwerbstätigkeit darauf aufzubauen. Anton Riemerschmid schaffte, wenigstens zu einem Teil, Abhilfe: Er gründete, als erstes solches Institut in ganz Deutschland, gemeinsam mit seinem Prokuristen Matthias Reischle die bis heute bestehende Riemerschmid-Reischle’sche Handelslehranstalt für Frauenzimmer. Sie eröffnete den Schülerinnen eine Zukunft in Firmenverwaltungen und Handelskontoren. SCHEUBLEIN Art & Auktionen freut sich, mit Anton Riemerschmids Bürgermedaille ein sowohl in kunsthandwerklicher wie auch in stadtgeschichtlicher Hinsicht außergewöhnliches Objekt anbieten zu können.
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