Highlights der 43. Kunstauktion: Ein orientalischer Traum
Im Fokus der 43. Kunstauktion steht eine über hundert Positionen umfassende Privatsammlung mit orientalistischen Gemälden und Skulpturen sowie Kunsthandwerk aus dem Orient.
Im Geist durch die Wüste
„Und ist es wirklich war, Sidhi…?“ Mit diesen Worten beginnt eine Romanserie, die exemplarisch für die Orientrezeption im deutschsprachigen Raum des ausgehenden 19. Jahrhunderts steht und auch den Geist der vorliegenden Sammlung spiegelt. Karl Mays Orientzyklus um den deutschen Reisenden Kara Ben Nemsi und seinen treuen Diener Hadschi Halef Omar prägte das Bild vom Leben in den Ländern zwischen Marokkanischer Atlantikküste und Persischem Golf über Generationen hinweg.
Dass der Autor zu dem Zeitpunkt, als er diese Romane schrieb, noch nie einen Fuß in ein orientalisches Land gesetzt hatte, sondern, wie sein Biograf Hans Wollschläger schreibt, die fernen Länder nur „mit der Seele gesucht hatte“, passt ins Bild.
Gerade im deutsch-österreichischen Raum, der zwar enge politische Beziehungen zum Osmanischen Reich pflegte, aber nicht als Kolonialmacht Präsenz zeigte, war der Orient eine Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte, romantische Phantasien und handfeste Abenteuer.
Die Wahrheit? Stand hinter der Traumwelt zurück, die derjenige, der es sich leisten konnte, mit Bildern, Skulpturen und orientalischem Kunsthandwerk lebendig werden ließ. Dieses Bestreben prägt auch die vorliegende Sammlung.
Schilde, Helme, Wasserpfeifen
Für die überzeugende Inszenierung eines orientalischen Raumes finden sich Moscheelampen mit fein gearbeitetem Durchbruchdekor, Schalen und Schatullen in Cairoware, Pfeifenköpfe, Schreibsets und andere Wohnaccessoires, aber auch kriegerische Objekte wie drei persische Kulah Khuds oder eine Reihe an „Sipar“-Rundschilde.
Eine Gruppe von Figuren und Schautellern aus dem zwischen 1880 und 1930 beliebten Werkstoff Siderolith stellt Personal dar, das ebenfalls einem Karl May-Roman entsprungen sein könnte: Demutsvolle Wasserträgerinnen, Gaukler und heldenhafte Berber, die auf ihren Hengsten durch die Wüstendünen preschen.
Lasziver Luxus und Ruinen
Auch die Malerei schwelgt in der Weite der Wüstenlandschaften, der Buntheit der Städte, dem luxuriösen Lebensstil, aber auch in der Schönheit ägyptischer Ruinen, wie auch das Bild des Wasserpfeife rauchenden jungen Mannes ganz oben zeigt (Schätzpreis 1.800 Euro). Nicht einmal vor Ort gewesen sein mussten die Künstler, um Bilder zu schaffen, die als authentisch akzeptiert wurden.
Ein Beispiel: Der auf Architekturdarstellungen spezialisierte Norbert Bittner (1786 – 1851), der seine aquarellierten Federzeichnungen auf der Grundlage von zeitgenössischen Stichsammlungen anfertigte. Doch selbst wenn die Maler den Nahen Osten bereist hatten, wie beispielsweise der Wiener Orientalist Alphons Leopold Mielich (1823 – 1929), spiegelte ihre Sicht stets nicht nur ihre Eindrücke und Erlebnisse, sondern auch das Traumbild in den Köpfen.
Sehnsucht nach dem Osten
Über hundert Jahre sind seitdem vergangen. Die Einstellung zum Orient hat viel von ihrem Glanz verloren und, dank fotografischer und filmischer Medien, an Realitätssinn gewonnen. Ein Hauch der alten Sichtweise aber täte heute ganz gut, findet die britische Journalistin Yasmin Ablihai-Brown. „In unserer globalisierten Welt (…) prallen Ost und West mit ihren unterschiedlichen Wertvorstellungen noch immer aufeinander und man vermisst bei Diskussionen um Burkas oder Minarette unsere ursprüngliche Faszination für diese fremden Kulturen.“
Ein Blick auf ein Kunstwerk aus jener orientalistischen Tradition kann diese, zumindest ein Stück weit, wieder ins Gedächtnis rufen. Das erfuhr Ablihai-Brown selbst beim Rundgang durch eine einschlägige Ausstellung. „Alle meine Erwartungen zerbröselten, als ich mir ein Bild nach dem anderen anschaute und einige davon in meinen Augen nur eines offenbarten: den Ausdruck einer unerklärten Liebe weißer, christlicher Männer (…) zum Orient.“ Eine Liebe, wie sie auch die vorliegende Sammlung wieder neu zu erwecken vermag.
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