Die Top 5 des Jahres 2018: Altmeister und Gemälde des 19. Jahrhunderts
Ein Bild gab es, das im Frühjahr die komplette Belegschaft von SCHEUBLEIN Art & Auktionen in seinen Bann zog: Das Gemälde “Auszug eines Kardinals aus S. Zanipolo in Venedig” (oben) aus der Hand des in Italien lebenden Katalanen Ramon Tusquets y Maignon (1837 – 1904). Auch unter den fünf Toplosen der Kategorien Gemälde und Alte Meister ist es vertreten. Welche Werke es hier ganz nach vorne schafften, lesen Sie unten; Toplose aus anderen Kategorien präsentieren wir in einem gesonderten Beitrag.
1: Altmeisterliche Idylle
Eine ungewöhnliche Darstellung von Adam
und Eva aus dem Italien des 17. Jahrhunderts entwickelte sich zum Spitzenlos des Jahres 2018 bei Altmeistern und Gemälden. Sie
kam in der Juni-Auktion von SCHEUBLEIN
Art & Auktionen für 35.000 Euro*
unter den Hammer. Das erste Menschenpaar
ist hier weder beim Sündenfall, noch
bei der Vertreibung aus dem Paradies oder
aber beim Beklagen der Ermordung Abels
durch Kain gezeigt, sondern in einer fast
arkadisch anmutenden Szene mit beiden
Söhnen in frühkindlichem Alter.
Der auf die italienische Malerei des 17.
Jahrhunderts spezialisierte Kunsthistoriker
Erich Schleier betont in einem Aufsatz
über eine der wenigen vergleichbaren Darstellungen
aus der Hand von Nicola Vaccaro
(1640 – 1709) nicht nur die Seltenheit
dieser Motivwahl, sondern auch, dass Eva
durch diese Art der Darstellung in die Nähe
von römischen Gottheiten wie Diana, Venus,
Juno und Minerva gerückt wird. Auch
beim vorliegenden Bild ist eine solche
Querverbindung sowohl für Eva wie auch
für Adam mehr als denkbar.
Bemerkenswert ist weiterhin, dass über
dieser ersten Familie der Menschheitsgeschichte
scheinbar nichts von der finsteren
Mühsal lastet, die Adam und Eva nach der
Vertreibung aus dem Paradies erwartete.
Stattdessen wirkt die Szene entspannt
und ungezwungen, fast schon im Sinne
jener erfüllenden Freiheit, die der englische
Schriftsteller John Milton den ersten Menschen
1667 am Ende seines Epos „Paradise
Lost“ mit auf den Weg gibt: „Vor ihnen lag
die ganze Erde, ihren Ort zu wählen, von
Gottes Vorsehung geführt.“
2: Die Leiden Christi
Dem Münchner Stadtmaler Jan Polack
(1435 – 1519) zugeschrieben ist ein
„Schweißtuch der Veronika“, das in der
März-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen
für 31.500 Euro* versteigert wurde.
Das Tuch ist zwar von zwei lieblichen Engeln
gehalten, in der Leidensdarstellung
im Antlitz Christi jedoch ungewohnt drastisch.
Erst ab etwa 1400 war es überhaupt
üblich geworden, das Gesicht auf dem
Schweißtuch nicht mehr als verklärten,
überirdischen Christus mit Heiligenschein
zu zeigen, sondern mit Dornenkrone und,
schließlich, auch mit geschlossenen Augen.
Das vorliegende Bild markiert einen
Zwischenschritt im Wandel dieses Motivs,
und ist zugleich auch ein beredtes Zeugnis
für die Kunstproduktion im München
unter Herzog Albrecht IV. Ähnlich wie der
Bildhauer Erasmus Grasser, mit dem Jan
Polack bei der Gestaltung diverser Altäre
eng zusammenarbeitete, betrieb auch Polack eine Werkstatt mit vielen Mitarbeitern.
Doch während in vielen anderen Fällen die
Hand des Meisters eindeutig von der der
Gehilfen unterscheidbar ist, war das künstlerische
Niveau wie auch die Stringenz der
vom Meister ausgegebenen stilistischen
Vorgaben so hoch, dass sich in den Bildern
aus der Werkstatt Jan Polacks keine einzelnen
Künstlerpersönlichkeiten unterscheiden
lassen.
Das Tafelbild verfügt ab 1929 über eine lückenlose
Provenienz: In diesem Jahr wurde
es von Hermann Muffler, Stockach an die
Münchner Galerie Heinemann verkauft.
1936 erwarb es dort der Nürnberger Zuckergroßhändler
und Kunstsammler Valentin
Joseph Mayring; in dessen Sammlung
verblieb es bis zu deren Verkauf durch die
Galerie Fischer, Luzern, im Jahr 1976. Seit
1983 befand es sich in süddeutschem Privatbesitz.
Nach der Auktion ging das Bild
ins europäische Ausland.
3: Genre und Moral
Bis auf 21.400 Euro* kletterten zwei Genre-
Szenen des bayerischen Barockmalers
Januarius Zick (1730 – 1797) in der September-
Auktion von SCHEUBLEIN Art &
Auktionen. Sie gehören zu den wenigen
Bildern Zicks, die nicht in Bausituationen
eingebunden waren – berühmt wurde der
Meister mit Altargemälden und Fresken,
unter anderem im Dianasaal von Schloss
Engers, der Klosterkirche Wiblingen oder
in der Klosterkirche Raitenhaslach, sowie
mit Intarisenbildern für höfische Möbel aus
der Hand David Roentgens. Doch auch mit
Genremalerei beschäftigte sich Zick kontinuierlich,
seit er zwischen 1756 und 1758
auf seiner Studienreise nach Paris, Basel
und Rom die niederländische Genrekunst
kennengelernt hatte.
Die vorliegenden Gemälde „Abend“ und
„Nacht“ knüpfen klar an deren Stilistik an.
Wie diese Vorbilder spiegeln die dargestellten
Szenen die Lebenswelt der kleinen,
bäuerlichen Leute. Allerdings vermengt Zick seine Erzähllust mit einer Sittenkritik
im Sinne der Aufklärung: Am „Abend“ ist
es der erotische Anblick der sich die Beine
waschenden Magd, dem sich der links gezeigte
Familienvater ungebührlich widmet,
statt sich Frau und Kind zuzuwenden.
In der „Nacht“ ist es wiederum eine Magd
– noch mit dem Schälen von Äpfeln befasst,
während alle anderen schlafen –, die
sich den Zudringlichkeiten eines vornehm
gekleideten alten Mannes erwehren muss.
Denn der Nachtwächter, der ja eigentlich
für Ruhe und Ordnung sorgen sollte, hat
sich abgewandt und studiert mit hochgehaltener
Kerze die Uhr.
Die ursprünglich zu einem Schätzpreis
von 12.000 Euro angesetzten Gemälde,
die zusammen mit den im M.H. de Young
Memorial Museum, San Francisco befindlichen
Pendants „Morgen“ und „Mittag“einen
geschlossenen Zyklus bilden, gingen in den
Kunsthandel.
4: Ein Kardinal kommt selten allein
Das eingangs erwähnte Historiengemälde entwickelte sich zum besten Los bei den Gemälden des 19. und 20. Jahrhunderts. Es ist das
Werk eines heute kaum noch geläufigen
Künstlers, Ramon Tusquets y Maignon
(1837 – 1904). Der aus Barcelona stammende
Sohn einer Handelsdynastie schloss
sich 1864 einer in Rom ansässigen Kolonie
katalanischer Künstler an. Deren prominentester
Kopf, Marià Fortuny (Vater des Modeschöpfers
Mariano Fortuny) wurde Tusquets‘
engster Freund und künstlerischer
Impulsgeber. Als Fortuny 1874 überraschend
an Malaria starb, war es Tusquets y
Maignon, der innerhalb der Gruppe dessen
Platz einnahm und ab 1880 zum wichtigsten
katalanischen Historienmaler avancierte.
Gleichzeitig gelang es ihm, dem kraftlos
gewordenen Genre durch die Verknüpfung klassisch-romantischer Traditionen mit
der plastischen Sprache des Realismus
noch einmal neues Leben einzuhauchen.
Das vorliegende Gemälde „Auszug eines
Kardinals aus San Zanipolo“ ist mit seiner
fast fotografisch präzisen Darstellungsweise
ein gutes Beispiel für diese stilistische
Erneuerung. „Er ist der katalanische Maler,
bei dem es am wenigsten gerechtfertigt
ist, dass er in Vergessenheit geriet“, beklagt
der spanische Kunsthistoriker Carlos
Reyero. Nun läutet der Kunstmarkt seine
allmähliche Wiederentdeckung ein. Dafür
steht auch das Ergebnis, das das Bild in
der März-Auktion von SCHEUBLEIN Art
und Auktionen erzielte: Es konnte seinen
Schätzpreis von 8.000 Euro mehr als verdoppeln verdoppeln
und kletterte bis auf 20.200 Euro*.
5: München leuchtet
Nicht Paris und nicht London – München
ist es, dem der aus Ostpreußen stammende
Maler Charles Vetter (1858 – 1941) wieder
und wieder ein impressionistisches
Denkmal setzt. Mit 23 Jahren zieht er 1881
an die Isar, um an der hiesigen Kunstakademie
zu studieren. In seinem Frühwerk
beschäftigt er sich noch mit genrehaften
Szenen vor städtischer Kulisse. Ab 1900 jedoch
ist es die Stadt selbst, die zum Thema
seiner Gemälde wird: Die ersten 20 Jahre,
die Vetter in München verbringt, sind
zugleich eine Zeit intensivsten Wandels.
1883 erst wächst die Bevölkerung auf über
250.000 Einwohner und die Stadt erlangt
den Rang einer Großstadt; bis 1901 aber
verdoppelt sich deren Zahl noch einmal.
Mit 500.000 Einwohnern ist München nun
die drittgrößte Stadt im Deutschen Reich. Dieses neue Pulsieren, das geschäftigte Treiben, wie es nur Metropolen prägt, zieht
Vetter wieder und wieder in seinen Bann.
Aber auch die verschiedenen Lichtstimmungen,
die sich wandelnde Stimmung der
Stadt-Landschaft im Morgen- und Abendlicht,
bei Sonne oder Schneefall, faszinieren
den Maler immer aufs Neue. Sein 1908
entstandenes Gemälde „Die Theatinerstraße
in München“, das bei SCHEUBLEIN Art
& Auktionen im März für 14.500 Euro* versteigert
wurde, ist ein markantes Beispiel
dafür: Die Fassaden der Häuser reflektieren
das fahle Licht, das Pflaster der nassen
Straßen spiegelt die Schatten der Passanten,
die die dichte Atmosphäre des Gemäldes
zum einen mit prägen, zum anderen
aber auch von ihr aufgesogen werden.
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