Im Blickpunkt am 30. Juni (IV): Westerwälder Steinzeug
Sieben Positionen der Kategorie Fayence und Keramik zeichnen die Geschichte des seit dem Barock überaus populären Westerwälder Steinzeugs zwischen den späten 16. und dem 19. Jahrhundert nach.
Die Entwicklung begann mehr oder weniger schlagartig um das Jahr 1590, als einige auf Steingutherstellung spezialisierte Familien aus anderen Töpfereizentren in das damals auf drei Fürstentümer aufgeteilte Gebiet der heutigen Stadt Höhr-Grenzhausen zogen. Bereits zuvor war in den Mittelgebirgen oberhalb von Koblenz Gebrauchsgeschirr mit brauner Salzglasur hergestellt worden.
Zugezogene Familien bringen neue Formen und Dekore mit
Doch erst der Zuzug dieser Meister aus dem nahen Siegburg und dem heute zu Belgien gehörenden Raeren brachten jenen Wandel in Formgebung, Dekor und Glasur, der das Westerwälder Steinzeug zur europaweit begehrten Ware machte. Der Einfluss besonders Raerener Töpfer ist unter anderem an den frühen, nur leicht gebauchten Kannen spürbar, die auch für das Töpferrevier nahe Aachen typisch waren.
Markenzeichen des Westerwälder Steinzeugs: Blau auf Grau
Auch die kobaltblaue Glasur, mit der die in den Westerwald gekommenen Kunsthandwerker bald experimentierten, war eigentlich eine Erfindung rheinischer Töpfer. Allerdings konnte die satte Farbe erst auf dem hellen Grau des Westerwälder Scherbens ihre Wirkung voll entfalten. Besonders markant ist, nicht nur aus künstlerischer Sicht, das Landsknechte-Dekor des folgenden Kruges:
Es weist auch darauf hin, dass die Region im ausgehenden 16. Jahrhundert immer wieder von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert war, beispielsweise vom Truchsessischen Krieg (1583 – 1588), der einen der später berühmtesten Westerwälder Meister, Anno Knütgen, erst zum Umzug in das „Kannenbäckerland“ bewogen hatte.
Typisch ab dem 17. Jahrhundert: Kugelbauchkrüge
Die vier im Angebot von SCHEUBLEIN Art & Auktionen enghaltenen Kugelbauch-Krüge repräsentieren die signifikante Kannenform, die sich im Westerwald im Lauf des 17. Jahrhunderts herausbildete und über 200 Jahre der beliebteste Krugtypus der Region blieb.
Historismus und Nationalismus wecken neues Interesse am Westerwälder Steinzeug
Der Walzenkrug (Nr. 171) schließlich ist ein typisches Erzeugnis des 19. Jahrhunderts. Westerwälder Töpfer knüpften im Zuge des erwachenden Historismus und Nationalismus an Formen von Hochrenaissance und Frühbarock anknüpften und für das Dekor neben Heldengestalten auch Nationalsymbole wie den Doppeladler des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation aufgriffen.
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