Highlights der Juli-Auktion (I): Ein Aquarell von Max Pechstein
Das auf 1921 datiertes Aquarell „Dorfstraße in Leba“, angeboten zu einem Schätzpreis von 12.000 Euro, entführt in eine Schaffensphase, in der sich Max Pechstein (1881 – 1955) längst von den Künstlern der „Brücke“ und der „Neuen Secession“ gelöst hatte und sich im Rahmen der „Novembergruppe“ auch politisch engagierte.
Max Pechstein und das Meer
Seine Liebe zum Meer hatte er über all diese Jahre beibehalten: Schon 1909 hatte der Maler in der Künstlerkolonie Nidden am kurischen Haff die Schönheit der Ostsee für sich entdeckt; nach seiner ausgedehnten Südseereise 1913/14 und dem Ersten Weltkrieg kehrte er an das Binnenmeer im Norden Deutschlands zurück. Ab dem Frühjahr 1921 verbrachte Pechstein jährlich viele Wochen in Leba an der pommerschen Ostseeküste. Hier faszinierten ihn der ständige Wandel der Lichtstimmungen und die Farben der Strandlandschaften rund um das Fischerdorf immer wieder neu.
Die Küste als künstlerische Triebfeder
„Wichtigste thematische Triebfeder waren immer das Meer und die Ereignisse in Küstennähe, Jahreszeitenwechsel und Tagesabläufe, Wetterveränderungen, das Leben der Fischer, die Landschaften zwischen Wolken und Watt, Haff und Nehrung, Nidden und Palau, Monterosso al Mare am Ligurischen Meer und Leba an der pommerschen Küste“, schreibt der Kunstkritiker Peter Winter in seinem Aufsatz „Rhythmus und Farbkontrast“ über die Landschaftsdarstellungen Max Pechsteins.
Straße und Landschaft
Obwohl das vorliegende Blatt eine Straßenszene zeigt, trifft vieles zu, was in diesem Aufsatz zu den Kompositionsprinzipien von Pechsteins Landschaften festgehalten wird: „Da ist (…) der starkfarbige Aquarellist, der in zeichenhaft-knappen Szenerien bewegte Figuren agieren lässt.“ In vielen Bildern wird, wie der Kritiker beobachtet, eine spitze, keilförmige Energie sowie eine Diagonale wirksam, die Kompositionen gerade aus den frühen 1920er Jahren regelrecht aktiviert.
Energie und Farb-Wucht
Beides ist auch in dem vorliegenden Aquarell klar erkennbar: In dem von den Komplementär-Kontrasten Gelb-Blau und Rot-Grün geprägten Straßenszenario bricht ein von links oben einfallender Sonnenstrahl eine Schneise in die Schatten und richtet die gesamte Komposition entlang dieser Diagonale aus. Selbst in den im Vergleich zu Ölfarben zarten Aquarelltönen wird eine Farb-Wucht erahnbar, die von Pechsteins in einem Text in der Zeitschrift „Pan“ beschriebenem, fast ekstatischem Zustand während des Malens zeugt: „Rausch! Gehirn zerschmettern! Wonnevolle Schmerzen des Gebärens! Krachen des Pinsels, am liebsten Durchstoßen der Leinwände. Zertrampeln der Farbtuben (…)!“ Eine Energie, die Pechstein, wie aus dem vorliegenden Blatt ersichtlich wird, während seiner sommerlichen Ostsee-Aufenthalte selbst mit dem Aquarellkasten intensiv auslebte.
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