Highlights der Herbsauktion (I): Die Dachauer Expressionistin Paula Wimmer
Im Blickpunkt gegen Ende der Herbstauktion am 23. September steht eine 55 Positionen umfassende Sammlung mit Gemälden des “Dachauer Malweibs” Paula Wimmer. Sie schlägt einen Bogen über deren komplettes Schaffen von frühen Studienaufenthalten in Italien über farbenfrohen jahreszeitliche Szenarien wie das Bild des Münchner Oktoberfests (oben, Schätzpreis 900 Euro) bis in ihre letzten Jahre im Dachauer Künstlerdomizil “Kleine Moosschwaige”.
Paula Wimmers schwieriger Weg zum Kunststudium
1876 im Münchner Villenvorort Solln in ein bürgerliches Elternhaus geboren, entschied sich die junge Frau für eine künstlerische Laufbahn – mit allen Widrigkeiten, die dies im ausgehenden 19. Jahrhundert mit sich brachte: An Kunstakademien zugelassen wurden Frauen grundsätzlich nicht, Ausstellungsmöglichkeiten gab es kaum. Nicht selten wurde Kunst von Frauen generell als Dilettantismus abgetan.
Paula Wimmer ließ sich nicht abschrecken, studierte an privaten Kunstschulen in München und Paris, reiste für längere Aufenthalte nach Italien und wurde 1908 in der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins aufgenommen.
Dort belegte sie, neben Aktmalerei, auch Freilichtmalerei, die von dem Spätimpressionisten Max Feldbauer in Dachau unterrichtet wurde. Bei diesen Kursen entdeckte Wimmer den Ort, den sie bald als Lebensmittelpunkt wählte, für sich. Die Stilistik des Impressionismus indes ließ sie hinter sich, als ihr Lehrer an die Kunstgewerbeschule in Dresden berufen wurde.
Von Florenz über Berlin nach Dachau
Stattdessen wandte sie sich nach einigen längeren Berlinaufenthalten dem Expressionismus zu, mit dem sie in der deutschen Hauptstadt in Berührung gekommen war. Für den Rest ihres Lebens sollte dieser Stil ihr Experimentierfeld bleiben. 1915/16 ließ sie sich endgültig in Dachau nieder und führte in der „Kleinen Moosschwaige“, einem Künstlerdomizil, ein offenes Haus.
Die Malerin in den Wirren der 1920er und 30er Jahre
Allerdings verlor sie während der wirtschaftlichen Krisen der 1920er Jahre ihr gesamtes Vermögen, konnte aber zunächst noch Bilder verkaufen. Als jedoch die Nationalsozialisten eines ihrer Werke als „entartet“ vernichteten, zog sich Paula Wimmer, trotz prekärster Finanzlage, komplett vom Kunstmarkt zurück.
Erst nach dem Krieg begann sie, künstlerisch wieder aktiv zu werden und Bilder bei Ausstellungen in München und bei der Dachauer Künstlervereinigung zu zeigen.
Wiederentdeckung eines “Malweibs”
Dennoch starb sie 1971 völlig verarmt und vergessen. Erst eine Ausstellung der Dachauer Galerien und Museen in den 1990er Jahren und das in den letzten 15 Jahren gestiegene Interesse am Werk der unerschrockenen „Malweiber“ des frühen 20. Jahrhunderts rückte auch Paula Wimmers Kunst wieder mehr ins Blickfeld der allgemeinen Aufmerksamkeit.
Die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen zu Schätzpreisen zwischen 300 und 1.500 Euro angebotenen Arbeiten zeigen vor allem Motive aus der Dachauer und Münchner Umgebung. Da die Künstlerin die wenigsten ihrer Werke datierte, lässt sich kaum eine stilistische Einordnung treffen. Alle allerdings reflektieren primär ihren experimentellen Zugang zum Expressionismus und lassen ihr immer wieder neues Ringen um eine eigene, von kräftigen Farben und Formen geprägte Bildsprache, eindrücklich fassbar werden.
Fundgrube-Auktion: Gemälde und Graphik der Dachauer Schule
Gemeinhin steht, sobald von der Dachauer Malerschule die Rede ist, vor allem die Künstlerkolonie im Blickpunkt, die sich ab 1875 als bedeutendes Zentrum der Plein-Air-Malerei in Deutschland herausbildete. Drei Arbeiten, die in der Fundgrube-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen am 4. Mai angeboten werden, erzählen vom Los, das den Dachauer Künstlern der nachfolgenden Generation beschieden war, die die Tradition der Künstlerkolonie durch die schwierigen Zeiten ab dem Ausbruch des 1. Weltkriegs weitertrug. Die Offerte umfasst das Gemälde “Sitzende Frau, über ein Dorf blickend” (oben) von Carl Piepho (1869 – 1920), Giulio Bedas (1879 – 1954) “Blick über den Ammersee”, den wir auch als Bild für die Auktions-Ankündigung gewählt haben, sowie der Holzschnitt “Sendlinger Tor” von Carl Thiemann (1881 – 1966).
Piepho, der älteste in der Runde, stammte aus Frankfurt am Main und studierte an den Kunstschulen in Stuttgart und Karlsruhe sowie an der privaten Académie Julian in Paris, bevor er sich 1895 in München niederließ und um 1900 der Künstlerkolonie Dachau anschloss.
Typischer Kirchturm
Seine “Sitzende Frau, über ein Dorf blickend” zeigt im Hintergrund einen für die Gegend typischen, auf die Romanik zurückgehenden Kirchturm mit Giebeldach (Schätzpreis: 200 Euro). Die Gründung der bis heute bestehenden Künstlervereinigung Dachau im Jahr 1919 erlebte Piepho noch mit, doch er starb nur ein Jahr später, mit lediglich 51 Jahren.
Dem Himmel so nah
“Beda hat nur den Himmel gemalt”, heißt es, unter anderem bei der Chronistin der Dachauer Maler, Ottilie Thieman-Stoedtner, über Giulio Beda, Sohn eines Historienmalers aus Triest. Beda übersiedelte 1900, nach dem frühen Tod seines Vaters, nach München und schloss sich, auch wegen seines großen Interesses an der Freiluftmalerei, sieben Jahre später der Künstlerkolonie Dachau an. Sein Malerkollege Carl Thiemann berichtet in seinen “Erinnerungen eines Dachauer Malers”, wie oft er ihn in Gottes freier Natur irgendwo arbeitend getroffen habe. Besondere Aufmerksamkeit widmete Beda dabei den vielfarbigen Lichtstimmungen am Himmel, denen er in den meisten seiner Werke viel Raum einräumte, so auch in seinem “Blick über den Ammersee” (Schätzpreis: 400 Euro). Nur ein Drittel des Bildes ist von der Landschaft eingenommen; darüber spannt sich ein hitze-flimmernder, erst am oberen Bildrand von grellem Weiß endgültig ins Blau changierendes Himmelszelt.
Lebensthema Dachau
Beda gehört zu den Gestalten, die die Dachauer Künstlerszene durch die schwierigen Zeiten des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs bis ins Wirtschaftswunder hinein begleiteten, ebenso wie der dritte Künstler, von dem SCHEUBLEIN Art & Auktionen in der Fundgrube-Auktion ein Bild anbietet: der Maler, Radierer und Holzschneider Carl Thiemann.
Der aus dem böhmischen Karlsbad stammende Thiemann kam 1908 zusammen mit seinem Schul- und Malerfreund Walther Klemm nach Dachau und blieb dort bis an sein Lebensende 1966. An seiner Biographie lässt sich auch das Schicksal vieler um 1880 Geborener ablesen: Vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich Thiemann sowohl einen künstlerischen Ruf wie auch ein solides Vermögen aufgebaut – sowohl der Krieg wie auch die Inflation von 1923 machten es komplett zunichte. Die von Thiemann mühsam aufgebauten Behziehungen zum internationalen Kunsthandel brachen nach 1933 abrupt ab: In den USA wird der Kauf deutscher Kunst grundsätzlich verboten; außerhalb des deutschen Reiches gibt es für seine Gemälde und Graphiken so gut wie keinen Absatzmarkt mehr. Erst in den sechziger Jahren erfährt sein Oeuvre eine späte Anerkennung. Bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen wird ein Farbholzschnitt angeboten, der nicht, wie für ihn typisch, eine Stadtansicht Dachaus, sondern das winterliche Sendlinger Tor in München zeigt. Der Schätzpreis liegt bei 150 Euro.